"Neue Kärntner Tageszeitung" Kommentar: Am Beispiel von "Tosca"
Ausgabe vom 06.01.2002
Wozu das Theater? Einem großen Teil der Bevölkerung ist es schließlich nur von außen bekannt. Andererseits mag ein gewisser Verdacht nicht ganz von der Hand zu weisen sein: Beruht theatralische Existenz nun wirklich auf unstillbarem Bedürfnis der so genannten Gebildeten, oder wird elitäres Bühnengeschehen in der Hauptsache vom sich zu wichtig nehmenden Feuilleton am Leben erhalten?
Eine Erfahrung betreffend sind sich alle einig - unbeirrbare Theaterfans und lediglich selten in Erscheinung tretende Besucher:
Das Fleisch besiegt mitunter den Geist. Lange (langweilige) Theaterabende wirken sich unangenehm aufs Gesäß aus. Wem nach stundenlangem Sitzen der Popo weh tut oder zumindest einschläft, den lässt, spätestens im letzten Akt, das Schicksal Carmens relativ kalt.
Genug der Negativismen! Im Klagenfurter Stadttheater, Kärntens bedeutendste Kulturadresse, hat zurzeit eine Dame namens Floria Tosca leichtes Spiel mit Publikums-Hinterteilen. Spannung bis zum Finale; melodienselige, durchdachte, bewegende und beunruhigende Operninszenierung. Jede Vorstellung des in der Regie von Dietmar Pflegerl gebotenen Puccini-Dramas ist ausverkauft.
Über die blühende, vom Musikweltzentrum Wien und dem Ausland aufmerksam beobachtete heimische Opernszene ist aber auch eine Überraschung der aparten Art gebreitet. Informierte erinnern sich, dass Pflegerl bei seinem vor zehn Jahren erfolgten Antritt der Oper und Operette keine Kränze zu flechten bereit gewesen war. Im Gegenteil: Der inzwischen als Langzeitintendant zu Apostrophierende hat seinerzeit verkündet, dem Schauspiel Vorzug gegenüber der Arie einräumen zu wollen.
Es kam dann ganz anders: Pflegerl, ungeübt im Lesen einer Partitur, erweist sich ausgerechnet im Musikalischen als Top-Regisseur. Lokale und "Großkritik" (welch grässliche Bezeichnung!) winden ihm Lorbeer en masse ums Haupt. "Manon", "La Traviata", "Madame Butterfly", das Musical "Evita", "Tosca": Die Pflegerl-Inszenierungen allein der vergangenen vier Jahre strahlen als Sterne erster Größe über den hiesigen Opernhimmel hinaus.
Natürlich erschallt nicht nur strahlendes Lob. In Kärnten geigt bekanntlich Blau auf, und so nimmt es nicht Wunder, dass dem politischen Klangkörper manch ein mit grobem Schlägel erzeugter, dumpfer Trommelwirbel entfährt, Intendant Pflegerl nach Kräften angeschüttet wird. Er wird’s aushalten. Vita brevis... Das Leben mag zwar kurz sein, doch die Kunst ist lang. Und alle Versuche, das Stadttheater als erstes Instrument im geistigen Konzert Kärntens umzupolen, auszuschalten, laufen bis auf weiteres Gefahr, exzellent zu scheitern.
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