DER STANDARD-Kommentar: "Nicht ausreichend frankiert: Das Demokratiepaket ist geschnürt, wird aber am Schalter liegen bleiben" (von Michael Völker) - Erscheinungstag 5.1.2002
Wien (OTS) - Es ist eine alte Forderung der Volkspartei, die deren Klubobmann Andreas Khol in den Vordergrund der Diskussion um das Demokratiepaket zu stellen versucht: Die Einführung der Briefwahl. Eigentlich sollte das keine große Debatte abgeben, in den meisten europäischen Staaten ist das Praxis. Die Gefahr des Missbrauchs ist gering. Sollte es tatsächlich Fälle geben, wo der Papa gleich für die Mama und auch die Oma seine Parteipräferenz zur Post trägt, wären die Auswirkungen wohl unter dem Wahrnehmungswert. Dennoch wehrt sich die SPÖ dagegen.
Aus einem einfachen Grund: Khol will die Briefwahl, ist aber nicht bereit, gleichzeitig auch über eine Senkung des Wahlalters oder die Einführung von Minderheitsrechten etwa zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu reden. Nur die - an und für sich vernünftige - Briefwahl umzusetzen, wäre kein Demokratiepaket, sondern für sich allein ein dürftiges Päckchen, nicht wert extra zur Post getragen zu werden.
Ein ernst zu nehmendes Demokratiepaket müsste hingegen mehrere Bestandteile aufweisen. Selbstverständlich muss über eine Senkung des Wahlalters diskutiert werden. Auch über das Argument, das Klubobmann Andreas Khol dagegen einbringt: Die Jugend sei an Politik nicht interessiert, daher würde bei einer Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre automatisch die Wahlbeteiligung sinken. Den Jugendlichen mangelndes Interesse in die Schuhe zu schieben, ist ein Ansatz, der viel zu kurz greift. Es wäre in jedem Fall, ob nun mit 16 oder 18 gewählt werden darf, eine vordringliche Aufgabe der Politik, das Interesse an ihr zu entflammen.
Khols Argumentation ist darüberhinaus durchsichtig: Die ÖVP, für junge Menschen nicht unbedingt die attraktivste Bewegung, fürchtet, dass andere Parteien überproportional von einer Wahlaltersenkung profitieren könnten. Das Motto daher: "Ihr wählt"s uns eh nicht, daher lassen wir Euch erst gar nicht mitwählen." Das ist natürlich der einfachere Weg, als selbst in den Wettbewerb einzutreten und sich offensiv um junge Menschen zu bemühen. Aber es ist unredlich. Junge Menschen haben in Österreich mit 16 bereits eine Reihe von Pflichten, sie sind voll arbeitsrechtsfähig, daher sollte man ihnen das demokratiepolitische Grundrecht, an der Wahlurne mitbestimmen zu können, einräumen. Und als nächstes sollte gleich über das Wahlrecht für ausländische Mitbürger diskutiert werden.
Die FPÖ zeigt sich in all diesen Fragen flexibel - ausgenommen natürlich dem Ausländerwahlrecht. Sie ist für die Briefwahl ebenso wie für eine Senkung des Wahlalters, macht aber nichts davon zur Bedingung. FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler macht an einer ganz anderen Front Dampf: Er fordert einen neuen Modus für die Bestellung von Höchstrichtern. Über den Bestellungsmodus der ehrwürdigen Richter kann man tatsächlich diskutieren. Sie werden streng nach Proporz und der jeweils aktuellen politischen Farbenlehre - bisher rot-schwarz -ins Amt gerufen.
Der Zeitpunkt, da Westenthaler plötzlich die "Objektivierung" für den Verfassungsgerichtshof entdeckt, ist aber kein Zufall. Der neue Bestellungsmodus soll just in jener Phase durchgedrückt werden, da dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider eine höchstgerichtliche Erkenntnis nicht in den Kram passt und er in seiner Erregung daraufhin den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs anpinkelt.
Die Pseudosachlichkeit, die Westenthaler nun vorschiebt, soll offenkundig nur davon ablenken, dass sich sein blauer Patron in Kärnten keinen Deut um die Verfassung schert und deren Hüter am liebsten in die Wüste schicken würde.
So gesehen, wäre ein neuer Bestellungsmodus für die Höchstgerichte eine reine Anlassgesetzgebung. Aber keine Sorge, dazu wird es nicht kommen: In parteitaktischen Überlegungen feststeckend, werden sich ÖVP, FPÖ und SPÖ auf kein Demokratiepaket einigen können, werden auch Briefwahl oder eine Senkung des Wahlalters nicht verwirklicht werden können.
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