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WirtschaftsBlatt-Kommentar: Zinssenkung als schwarzer Peter von Erwin Frasl

Wien (OTS) - Im Moment müsste die Europäische Zentralbank in Frankfurt jedem Kreditnehmer Geld fürs Ausborgen schenken, anstatt Zinsen zu verlangen, um Kredite attraktiver zu machen. Zinssenkungen alleine reichen nicht mehr für eine Belebung der Konjunktur.

Entscheidend für ein stärkeres Wachstum der Wirtschaft ist aber vorrangig ein positives Wirtschaftsklima, das nicht nur den Unternehmern Mut zu Investitionen macht, sondern auch bei den Arbeitnehmern die Zuversicht stärkt, dass ihre Einkommen gesichert sind und sie daher die Finanzierung von Wohnungen oder dauerhaften Konsumgütern mit längerfristigen Krediten wagen können.

Dieses Vertrauen in die Zukunft zu schaffen, ist Aufgabe der Politik - auf nationaler und auf europäischer Ebene. Bisher hat die Politik allerdings versagt. Den grossen Volkswirtschaften in Europa fehlt noch immer die Kraft, sich auf eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik zu einigen, die die europäische Konjunktur kräftig beleben könnte. So wäre eine Entscheidung auf europäischer Ebene für den Bau transnationaler Eisenbahnnetze für die Wirtschaft ein ebenso wichtiges Signal wie auf nationaler Ebene ein rascher Ausbau und eine Modernisierung des österreichischen Bahnnetzes. In beiden Fällen erscheint die Politik wie gelähmt.

Sie kaschiert ihr Versagen, indem sie von der EZB gebetsmühlenartig eine Senkung der Zinsen verlangt, in der Hoffnung, damit der Konjunktur jene Impulse zu geben, die die Wirtschaftspolitik nicht schafft. Daher müsste man der EZB aus zwei Gründen dankbar sein, wenn sie ihr Zaudern und Zögern in Sachen Zinssenkung am Donnerstag bei der nächsten Zentralbanksitzung aufgäbe. Es wäre ein optisch brauchbares Signal für die Wirtschaft -und was noch viel wichtiger wäre: Es wäre dann klar, dass nach der EZB die Wirtschaftspolitiker in der Europäischen Union am Zug sind, Unternehmern und Konsumenten in Europa jenen Optimismus in die eigene Zukunft zu vermitteln, der erst dafür sorgt, dass vorhandenes Geld investiert und konsumiert wird. Dazu gehört auch eine faire Balance zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen. Denn Arbeitnehmer, die nicht genug verdienen, werden sich weder einen Opel noch einen Ford und auch keinen Handl-Speck kaufen können. Und von derartigen Unternehmen leben wir alle. (Schluss) ejf

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