DER STANDARD-Kommentar: "Der Mahner als Kämpfer - Warnungen vor einem Kampf der Kulturen sind unangebracht: Er ist bereits im Gang" (von Michael Fleischhacker) - Erscheinungstag 26.9.2001
Wien (ots) - Als der Papst auf seiner Kasachstan-Reise erklärte, man müsse sich nach den Terrorakten von New York und Washington hüten, den Islam zu verurteilen, erntete er den Applaus all jener, die einen "Kampf der Kulturen" verhindern wollen. Johannes Paul II. im Wortlaut: "Ich möchte den Respekt der katholischen Kirche vor dem Islam bekräftigen, dem authentischen Islam - dem Islam, der betet, der sich um die Bedürftigen kümmert."
Es ist nun freilich eine recht eigenwillige Form der Toleranz, dem anderen mitzuteilen, was an ihm authentisch sei und was nicht. Man stelle sich nur vor, wie jene Kirchenfürsten, die sich jetzt lautstark über den "radikalen" und "intoleranten Islam" beklagen, reagieren würden, wenn ihnen von islamischen Theologen ausgerichtet würde, dass die "authentische" römisch- katholische Kirche, nämlich die, die "betet" und "sich um die Bedürftigen kümmert", selbstverständlich ihren vollen Respekt habe.
In Wahrheit war also die als Zeichen der Mäßigung gefeierte Respekt-Forderung des Papstes der bisher schärfste Ausdruck des Kulturkampfes zwischen dem römischen Christentum und dem Islam. Die Warnung vor einem Kampf der Kulturen kann man sich also sparen, er ist bereits im Gang. Die Taktik, die vorderhand zum Einsatz kommt, kennt man aus den profanen Gesetzmäßigkeiten des politischen Grabenkampfs: Die beste Gelegenheit, ein Gerücht zu lancieren, ist immer noch ein Dementi. Das geht so: "Also dass der Islam Terroristen hervorbringt, das stimmt nun aber wirklich nicht ganz."
Der Papst ist in dieser Debatte freilich nicht der einzige Missverstandene. Auch der Grazer Bischof Egon Kapellari wurde möglicherweise, wie er das formulieren würde, "zu schnell verstanden".
Hinter seinen Warnungen vor der Radikalität des Islam und seiner mangelnden Toleranz gegenüber den Schwachen verbirgt sich nämlich zu einem nicht unbeträchtlichen Maß die ins Aggressive gewendete Faszination für seine Vitalität. Genau diese Vitalität möchte Kapellari auch dem Christentum wieder geben, wenn er dafür plädiert, sich für den Islam zu öffnen, nachdem man zuerst die "eigene Identität" gestärkt habe. Denn im Grunde ist ihm die angeblich "intolerante" Diagnose der Islamisten, wonach der Westen "verrottet" sei, nicht fremd. Er möchte nur seine Wiederbelebung von Werten nicht der Konkurrenz überlassen.
Und hier beginnt sein Problem: Er weiß genau, dass die wichtigste Voraussetzung für die ungemeine und global zu beobachtende Vitalität des zeitgenössischen, wenn man so will, "fundamentalistischen Islam" die nicht vorhandene Trennung zwischen Religion und Politik, zwischen Staat und Kirche ist. Das Christentum wird dem Islam nur dann "in Augenhöhe" gegenübertreten können, wenn es eben nicht mehr nur fürs Beten und für die Caritas zuständig ist, sondern erneut eine verstärkte gesamtpolitische Rolle einnehmen kann.
Die einzige Alternative dazu wäre das Einsetzen einer Ära der Aufklärung in den islamischen Ländern, die zu einer Trennung von Politik und Religion führt und auf diese Weise "Chancengleichheit" herstellt. Das würde freilich eine weitere, von Europa und den USA ausgehende globale Säkularisierungswelle bedingen, die am Ende auch die Stellung der christlichen Kirchen in Europa und den USA noch einmal empfindlich schwächen würde. Kein Wunder also, dass die Repräsentanten der katholischen Kirche zur Wiederherstellung der "Chancengleichheit" eine "Erhitzung" der eigenen Performance der nochmaligen Abkühlung per Säkularisierung vorziehen würden.
Der Kampf der Kulturen, der bereits begonnen hat, ist damit nichts anderes als der Ausdruck eines tiefen Paradoxons: Man müsste zugleich den erhitzten Islam abkühlen und eine Art von globaler säkularer Religion etablieren, die auf so etwas wie der metaphysischen Aufladung der abendländischen Menschenrechtsvorstellungen basiert. Keine geringe Aufgabe für die großen Geister unserer Zeit.
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