"Tiroler Tageszeitung" Kommentar: "Zuckerl, nein danke" (von Claus Reitan)
Ausgabe vom 14. 7. 2001
Innsbruck (OTS) - Alle Einzelheiten der gegenwärtigen
Steuerdebatte mögen für sich genommen richtig sein, aber das Ganze hat dennoch zwei Fehler: das falsche Thema und den falschen Zeitpunkt.
Die Wirtschaft läuft zwar gut, aber der Konjunkturmotor ist nicht auf Beschleunigung eingestellt, ganz im Gegenteil, er verliert an Drehzahl. Das hat in den USA begonnen, setzt sich in Europa vor allem in Deutschland fort und beginnt nun auch in Österreich zu wirken. Der Zeitpunkt, über Steuersenkungen zu sprechen, ist der falsche. Sie sind derzeit nicht finanzierbar, soll die Sanierung des Staatshaushaltes nicht gefährdet werden.
Zudem ist es grundsätzlich falsch, Versprechungen über Steuersenkungen abzugeben. Der in der Politik beliebteste Geschäftspartner ist das Kurzeitgedächtnis der Wähler. Diese vermögen sich aber daran zu erinnern, dass jede Steuersenkung der letzten Jahre mit einem Sparpaket bezahlt wurde. Also mit höheren Steuern. Derzeit läuft ein solches Programm der Konsolidierung. Und dieses wird zu einem Drittel über Steuereinnahmen finanziert, konkret mit 28,8 Milliarden Schilling.
Die Ankündigung, 2003 die Steuern zu senken, hat bereits Begehrlichkeiten über 100 Milliaren Schilling ausgelöst. Da muss die Politik abwinken. Ihr einfach wirkendes Versprechen einer Wohltat in zwei Jahren muss sie vorerst mit einem dutzenfachen "Leider nein, jetzt nicht möglich" beantworten. Was für alle eine Freude werden sollte, ist so vorerst ein Ärgernis für jeden.
Die weiters nötige Debatte, was mit den Steuern bezahlt wird, ist dabei noch gar nicht eröffnet. Sicher ist, dass auf den Staat weitere finanzielle Bürden zukommen. Pensionen, Gesundheits- und Verkehrwesen reichen als Stichworte, um anzudeuten, wofür in den nächsten Jahren Millionen an Euro gebraucht werden.
Wähler und Steuerzahler stehen vor zwei Möglichkeiten: Entweder sie akzeptieren die bittere Wahrheit über den Staatshaushalt oder den bitteren Nachgeschmack anfänglich süßer Wahlzuckerl. Die Entscheidung sollte gegen die Zuckerln ausfallen.
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