WirtschaftsBlatt-Kommentar von Engelbert Washietl
Das osteuropäische Potenzial
Wien (OTS) - Die Bank Austria machte auf dem Weltwirtschaftsforum
in Salzburg darauf aufmerksam, dass sich die Wirtschaftslage in den zehn EU-Kandidatenländern zügig verbessert. In Regionen wie Bratislava und Prag sei das Einkommen bzw. die Kaufkraft schon heute höher als im EU-Durchschnitt. Das ist ein bildhafter Vergleich, geeignet, die wahre Bedeutung des Marsches der Beitrittskandidaten Richtung Brüssel deutlich zu machen. Wer Angst vor ihnen hat, bemerkt nicht das gewaltige wirtschaftliche Potenzial, das durch die Annäherung und den späteren Beitritt zur Europäischen Union erschlossen wird.
Alle diese Staaten haben sich ohne lange Überlegung an der EU orientiert, seit sie eigenständig Politik machen dürfen. Um überhaupt so weit zu kommen, dass sie aus Brüsseler Sicht als ernstzunehmende Anwärter wahrgenommen werden, stellten sie sich mit grosser Kraftanstrengung auf westeuropäische Standards um. Dieser Prozess ist natürlich längst nicht abgeschlossen (auch in Österreich werden noch heute Defizite bei der Umsetzung der EU-Politik entdeckt und beklagt). Im Zuge ihrer Bemühungen holen die nahen und weniger nahen Nachbarn gewaltig auf. Sie müssen sich mit dem im Westen gültigen Rechtssystem auseinander setzen - nicht nur dem ethischen, sondern beispielsweise auch den handels- und wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen. Sie lernten, was Marktwirtschaft, Entstaatlichung und Liberalisierung heisst. In Summe wird die österreichische Wirtschaft sehr bald mit hoch interessanten, leistungsfähigen Partnern in Osteuropa zu tun haben und nicht mit multikulturellen Insassen eines Transitlagers vagabundierender Wirtschaftsflüchtlinge, die alle nach Österreich drängen. Wenn der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic in Salzburg versicherte, dass Jugoslawien beziehungsweise das, was davon geblieben ist, "auf dem Weg nach Europa" sei, so ist das im Moment noch eine Utopie. Den übrigen Europäern steht es aber schlecht an, darüber spöttisch zu lächeln. Die EU und Jugoslawien haben nämlich nur die Alternative, einen mörderischen Krisenherd zu verewigen und für alle Zeiten für die menschlichen und wirtschaftlichen Unkosten aufzukommen - oder den Weg nach Europa behutsam einzuleiten. Auch Südosteuropa lässt sich nur in einem von der EU geflochtenen Netzwerk stabilisieren. (Schluss) was.-
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