"Die Presse"-Kommentar: "Temelin zwischen Technik und Emotion" von Anneliese Rohrer

WIEN (OTS).Fast verzweifelt stellten kürzlich Vertreter Tschechiens
folgende
Frage: Wie, bitte, läßt sich zwischen Technik und Glauben eine
Verständigung finden? Eine Antwort war nicht zu geben. Es war -
wieder einmal - vom Atomkraftwerk Temelín und dem Zwist zwischen
Wien und Prag die Rede.
Zu diesem Zeitpunkt waren neue Unterlagen zu verschiedenen Fragen
des Atomkraftwerks schon unterwegs nach Wien. Ein Urteil des
österreichischen Umweltministeriums über Vollständigkeit und
Qualität dieser Unterlagen soll heute, Dienstag, vorgelegt werden.
Wie aber die ersten Reaktionen der Temelín-Gegner am Montag zeigten,
gibt es keine Verständigung zwischen Technik und Emotion. Der Inhalt
der Temelín-Papiere war ihnen nicht einmal im Detail bekannt, schon
wurde er pauschal abgelehnt.
Wie, so müßte man in den Seufzerchor einstimmen, kann es da eine
Brücke zwischen zwei unverrückbaren Standpunkten geben: Zwischen der
tschechischen Überzeugung, daß Temelín aus wirtschaftlichen und
finanziellen Gründen in Betrieb gehen muß und der kompromißlosen
Forderung der Gegner, daß dies nie und nimmer der Fall sein darf?
Die Fehler auf beiden Seiten haben sich seit Beginn des Konflikts so
hoch angehäuft, daß nun kaum jemand noch eine Lösung sieht. Da hilft
es auch wenig, wenn vernünftige Vertreter Tschechiens einräumen, man
hätte schon viel früher mit allen Informationen herausrücken, hätte
schon seit langem eine offensive Informationspolitik betreiben
müssen, denn schließlich gehe es auf österreichischer Seite um
Ängste. Und diesen sind allerorts auf der Welt nur mit Offenheit und
Ehrlichkeit zu begegnen.
In Österreich aber hat man offenbar zu lange darauf vertraut, die
Differenzen in der Prager Regierung zwischen Kompromißlosen und
Kompromißbereiten für die eigene Politik nutzen zu können. Jetzt
geht es nur noch um die Wahrung des Gesichtes da wie dort - und da
sind vernünftige Gespräche immer schwer. Allein, der Zufall ist
(noch) auf der Seite der Vernünftigen: Die Zwangspause aufgrund der
Turbinen-Probleme in Temelín macht es möglich, über maximale
Sicherheit zu verhandeln.

Rückfragehinweis: Die Presse

Chef v. Dienst
Tel.: (01) 514 14-445

*** OTS-ORIGINALTEXT UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER

VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS ***

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PPR/PPR

print