"Tiroler Tageszeitung" Kommentar: "Fatale Begierde" (von Peter Plaikner)
Ausgabe vom 21. 4. 2001
Innsbruck (OTS) - "Politiker machen ORF kaputt!" titelt die
Krone. "Wer rettet den ORF?" fragt tv-media. "Schüssels Gesetz vor dem Aus" wünscht sich News.
Die zu Tatsachen getarnte Meinungseinheit von Krone und News-Gruppe verblüfft so wenig wie deren plötzliche Liebe zu FP-Klubchef Peter Westenthaler. Das neue Darling der Printmarktführer galt früher als Beelzebub der Medienszene. Umso anfälliger ist er für Streicheleinheiten - lautet das Kalkül der Reformgegner. Sie müssen den Koalitionskonsens brechen, um eine neue ORF-Konstitution zu verhindern.
Dabei sind die Gesetzesentwürfe für öffentlichen Rundfunk und privates Fernsehen keineswegs Revolutionen. Im Gegenteil:
Möchtegern-Mitbewerber halten das Langzeit-Monopol für zu wenig entschärft, um daneben zu bestehen. ORF-Chef Gerhard Weis bestätigt di es sogar, indem er österreichischem Privat-TV keine Chance gibt. Das künftige duale System dürfte teure Theorie bleiben.
Das wissen auch Krone, News & Co. Ihre Kampagne zielt in Wahrheit auf Nebeneffekte der Reform: Beschränkung von Medienwerbung und Genehmigungspflicht für Kooperationen. Kleine Paragraphen, große Wirkung. Sie könnten gefährliche Liebschaften auflösen. Der
Public Broadcaster müsste seine schlamperten Boulevard-Verhältnisse beenden und zum keuschen Single werden.
Doch weder Krone, News noch ORF wollen voneinander lassen. Also zündelt er mit am Desinformationsfeuerwerk der Kleinformate. Die jüngste Westenthaler-Pflege in News wurde vorab stundenlang im Teletext beworben: FPÖ wird ORF-Gesetz nicht zustimmen hieß es da.
Durch Kooperation von öffentlichem Fernsehen und den größten privaten Medienhäusern wird die demokratiegefährdende Konzentration im Zeitungs-, Magazin-, Radio- und Internetsektor vollends zu Infokratur. Denn allein Teletext, Krone, News und tv-media erre ichen zusammen 6,6 Millionen, also alle (!) Österreicher über 14 Jahre.
Der ORF darf nicht willfähriger Teil, sondern muss unabhängiger Gegenpol dieser Marketing- und Meinungsgroßmacht sein. Nur für eine solche Rolle lassen sich heute noch Rundfunkgebühren rechtfertigen.
Niemand stellt den ORF infrage - außer er sich selbst.
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