"Die Presse"-Kommentar: "Viele Posten, wenig Auswahl" (von Michael Prüller)
Ausgabe vom 7.2.2001
WIEN (OTS). Wir haben es alle in der Volksschule gelernt (und die Frau Lehrerin hat immer recht) - Österreich ist die Heimat großer Söhne. So dürfte die anstehende Neubesetzung vieler (halb)öffentlicher Managementposten eigentlich keine Probleme bereiten: Das Führungstrio des Sozialversicherungs-Hauptverbandes ist da zu nennen, ebenso Vorstand und Aufsichtsrat der ÖBB (die Verträge enden Mitte des Jahres). Dazu kommen unter anderem Rudolf Streichers Ex-Jobs in ÖIAG und Luftfahrt, die Erneuerung oder Ergänzung des AUA-Vorstandes, die Installierung der Arbeitsmarkt-GmbH-Führung. Und im Jahr 2002 endet die Funktionsperiode für einige Top-Notenbanker.
Auch das haben wir gelernt, im wirklichen Leben: Schon das Ausscheiden der alten Führungskräfte erfolgt kaum ohne Funkenflug. Dann kommt der üppig brodelnde Gerüchtekochtopf, in den alle Parteien, die beteiligten Unternehmen, Altvorstände, Aufsichts- und Betriebsräte hineinspucken, und in dem doch immer wieder dieselben Gesichter an die Oberfläche kommen - und schließlich Polemik zuhauf, wenn die Neuen feststehen. Bunte, aus österreichischem Urboden gewachsene Folklore eben. Aber eine, die nicht nur keine Touristen anlockt, sondern auch keine Top-Manager.
Man soll natürlich nicht übertreiben: Querelen bei der Besetzung von Führungspositionen gibt es überall, wo die Eigentümer heterogen und unsicher sind und im Rampenlicht stehen - nicht nur im staatsnahen Bereich. Dennoch stellt die erfolgreiche Installierung qualifizierten Personals gerade für den Staat eine besonders problematische Aufgabe dar, die bereits gelegentlich in Vernichtung von Volksvermögen ausartet.
Die typischen Symptome sind uns längst vertraut: Daß Top-Manager nicht nur einem Minister, sondern auch der jeweiligen Koalitionspartei gefallen müssen. Daß sie mit den gerade einflußreichen Politikern befreundet und mit den gerade im Verschiß befindlichen überkreuz sein sollten. Daß namentlich in den Industriebeteiligungen Staatsinteressen nicht immer sauber und dem Aktiengesetz entsprechend wahrgenommen werden - trotz aller Entpolitisierungsansätze. Daß öffentliche Ausschreibungen und die Beauftragung von Personalberatern in der Regel völlig bedeutungslos sind, weil die Auslese durch die Politik meist nicht auf den Vorschlägen der Headhunter beruht, sondern umgekehrt.
Ein wenig ist ja schon geschehen: Etwa die deutliche, wenngleich etwas ein-(bzw. blau-)äugige Absage der Regierung an Proporzbesetzungen und "Erbpachten", also an ungerechtfertigte Ansprüche einzelner Parteien oder Institutionen auf bestimmte Posten. Oder die Berufung politikferner - ja sogar ausländischer -Experten in den ÖIAG-Aufsichtsrat. Wobei generell das Glück, jenseits der Grenzen nach Managern, die der Landessprache mächtig sind, wildern zu können, zuwenig genutzt wird (wer weiß denn schon, wem so ein Deutscher Freundschaftsdienste leisten wird?).
Die Besetzung gutdotierter Managementpositionen durch die öffentliche Hand wird aber so lange ein Krampf bleiben, wie die Parteien die Postenvergabe als Hausmacht und soziales Netz für ihre abtretenden Vasallen gebrauchen - und das Hineinregieren nicht lassen können. Da dies aber eine Sucht ist, wäre eine Entziehungskur das eigentliche Mittel - also ein weiterer Rückzug des Staates und der Parteien aus der operativen Wirtschaft und aus "selbstverwalteten" Bereichen. Andernfalls wird die Absagequote von Profis, die sich öffentliche Schlammschlachten und politische Intrigenspiele nicht antun wollen, weiter sehr hoch bleiben. Dabei hätte Österreich genug großer Söhne und Töchter für solche Aufgaben. Einstweilen machen die halt lieber Karriere im Ausland.
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