STANDARD-Kommentar am Mittwoch/Donnerstag zur Situation des Liberalen Forums:
Erschienen:31.05.2000
Harakiri mit Anlauf =
Der politische Niedergang des Liberalen Forums ist offenbar nicht mehr zu stoppen
Thomas Rottenberg =
Wien (OTS) - Parteitagschoreographen tragen gerne dick auf. Zumindest in dieser Hinsicht unterscheiden sich die Liberalen nicht von anderen Parteien: Als Alexandra Bolena am Montagabend im Kolpingheim am Wiener Alsergrund den Delegierten des Landesparteitages gegenübertrat, erklang eine jener Hymnen, die sonst Boxer bei ihren Auftritten gerne hören: Dem Gegner in der anderen Ecke des Ringes soll schon vor dem Kampf die Schneid abgekauft werden.
Und als ihr 94 Prozent der LiF-LandespartnerInnen das Vertrauen ausgesprochen hatten, erklangen Queen mit "I want to break free". Das zeugte immerhin von einem Rest an Realitätssinn: Man hätte ja auch "We are the Champions" intonieren können.
Seit der verheerenden Niederlage bei der Nationalratswahl im Oktober lässt die von Heide Schmidt als Bewegung für Menschen mit Herz und Hirn konzipierte Partei keine Gelegenheit aus, zumindest kopflos zu agieren - und noch den letzten potenziellen Wähler in die Flucht zu schlagen. So als wollte man mit aller Kraft beweisen, dass Liberalismus in Österreich nicht nur keine Tradition hat, sondern auch keine Zukunft haben darf.
Der Zerfall der Wiener Partei ist dafür nur das deutlichste Symptom. Auch in anderen, kleineren restliberalen Reservaten lassen die erblassten Hellblauen kaum eine Gelegenheit aus, zu beweisen, wie uneins sie sind: So sperren die beiden Linzer LiF-Mandatare einander bisweilen gegenseitig aus ihren Büros aus. Und in Steyr wird wegen eher unklarer denn liberaler Geldflüsse sogar polizeilich ermittelt.
Den handelnden Personen fällt dazu nicht mehr ein, als bedauernd die Köpfe zu wiegen und dem jeweils anderen die Schuld zu geben. Und jene Floskeln von "Neustart" und "Relaunch" wiederzukäuen, die schon in der Zeit von Oktober bis Februar - als Christian Köck Heide Schmidt ablöste - schal und fade wurden. Warum hohle Phrasen im sonnigen Mai besser klingen sollen als im traurigen Herbst, können nicht einmal die überzeugtesten LiF-Parteigänger erklären.
Wenn sie es überhaupt noch versuchen: Der schwungvolle Selbstmord auf Raten, dem sich die letzte echte Bastion der Partei - Wien - so hingebungsvoll und in aller Öffentlichkeit widmet, entlockt dem Parteichef gerade noch eine auf Video gesprochene Grußadresse. Ein Machtwort - oder zumindest die Anordnung, den Wickel gefälligst unter der Tuchent auszutragen - wäre wohl als "unliberal" empfunden worden.
Christian Köcks Urlaub sei eben länger geplant gewesen, als der Zerfall der Partei, lautet die eine Hälfte der - leicht hatscherten -Erklärung. Die zweite ist entweder ein wenig geglücktes Ergebnis des verzweifelten Versuches, Erklärungen zu finden, oder aber Zeugnis von fast schon bewundernswerter Realitätsverweigerung: Die Krise, die der Rücktritt von Gabriele Hecht offenbar werden lassen hat, sei eine "Wiener Angelegenheit", die die Bundespartei nichts angehe.
Bloß: Welche Bundespartei? Abgesehen vom versprengten Häuflein zerstrittener Wiener existiert das Liberale Forum de facto nicht mehr.
Nicht einmal mehr als jene Kopfgeburt, als die das Projekt der Heide Schmidt Projekt zu seinen Lebzeiten immer wieder kritisiert worden war.
Eines ist den Liberalen mit ihrer geradezu kommandomäßig angelegten Selbstsprengung in Etappen allerdings blendend gelungen:
Der eindrucksvolle Beweis, dass eine Partei weder Gliedmaßen noch Rumpf oder Bauch braucht, um Harakiri zu begehen - es dauert halt alles nur ein bisschen länger.
Was zu tun bleibt, hat Christoph Chorherr, Chef der Wiener Grünen, am Dienstag bei seiner Wahlkampferöffnung schon indirekt angekündigt:
Die Grünen rechnen in Wien mit einem deutlich zweistelligen Ergebnis. Dass das LiF dazu beitragen soll, braucht nicht eigens erwähnt zu werden: Auch in den anderen Rathausparteien beschäftigt sich niemand mit Nachrufen - man bereitet sich stattdessen auf das Einsammeln der Trümmer vor.
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