Demonstrative Aktion
Was wichtig ist für die politische Hygiene im Land
(Von Hans Köppl)
Hunderttausend, zweihunderttausend oder noch mehr werden heute Nachmittag in Wien unter dem einigenden Motto ãNein zu Rassismus, nein zu RechtsextremismusÒ auf der Straße sein. Je mehr desto besser.
Nicht alle Demonstrierer werden ausschließlich von dieser ethischen Forderung beseelt sein, angetrieben von der Sorge um eine Verluderung demokratisch-moralischer Prinzipien als Folge eines saloppen bis zynisch ambivalenten Umgangs mit Österreichs Nazi-Vergangenheit. Gestandene Sozialdemokraten und sozialdemokratische Gewerkschafter werden gegen den schmerzlichen Verlust von Macht und Einfluss auftreten, einige werden dabei sein, weil sie einfach ihrer Angst um die Zukunft Österreichs Luft machen wollen, andere wieder, weil sie wütend über die Isolation sind, die der Eintritt der Freiheitlichen in eine Regierung verursacht hat. Alle sie verbindet die Abneigung gegen diese schwarz-blaue Regierung und gegen die FP im Besonderen. Egal, welches Motiv jeden Einzelnen bewegt, bei der heutigen Großdemo mitzutun: Die Veranstaltung als solche ist enorm wichtig für die politische Hygiene im Land. Die neue Mitte-Rechts-Regierung wird sie allerdings nicht stürzen können.
Nicht minder wichtig ist eine andere demonstrative Aktion im Sinne der politischen Hygiene, wenngleich auch sie unbedankt bleiben wird:
die ãohne Zaudern und ZögernÒ angegangene Lösung der Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern. Unbedankt bleibt sie, weil sie grundsätzlich viel zu spät erfolgt und weil sie unmöglich gerecht ausfallen kann. Die auffallend rasche Aktion als gewollten Versuch der politischen Reinwaschung darstellen zu wollen, soll Zynikern vorbehalten bleiben. Tatsache ist, dass die Entschädigungsfrage für die vorangegangene Regierung Klima zumindest keine vorrangige war. Die rot-schwarze Koalition behandelte diese Causa in der gleichen unanständigen Tradition der Zögerlichkeit wie alle Regierungen vor ihr. Dass die Akzeptanz in der Bevölkerung Ð sieben von zehn Österreichern befürworten heute die Entschädigung Ð jetzt größer ist, nachdem die Deutschen sich mit den Opfern geeinigt haben, bestätigt im Nachhinein nur den bornierten Widerwillen, sich offen und freimütig der Vergangenheit zu stellen, Taten zu setzen, statt wortreich sich um sie herumzudrücken.
Jetzt will man eine ãösterreichische LösungÒ anstreben, sagt Wolfgang Schüssel, der freilich seinen vormaligen roten Koalitionspartner schon viel früher dazu hätte drängen können. Sei es, wie es sei, wenn nur bald irgendeine Lösung zu Stande kommt, mit der die verbliebenen Opfer im wahrsten Sinne des Wortes leben können.
Was bisher dazu in der Öffentlichkeit gesagt und geschrieben wurde, lässt allerdings nur eine beschränkte Zuversicht auf ein baldiges positives Ergebnis zu. Es wird an der Historiker-Kommission liegen, ein möglichst eindeutiges Bild von Umfang und Art der Betroffenheit von Zwangsarbeit zu erstellen. Die Gefahr liegt in der Differenzierung und deren Akzeptanz bei den Opfern sowie jenen, die sich zu ihren Sachwaltern aufgeschwungen haben.
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