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"Kurier" Kommentar: (von Norbert Stanzel): Programmierter Absturz

Ausgabe vom 15.1.2000

Wien (OTS) - Hier ist eine Auswahl von konkreten Punkten der Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP: Budgetsanierung in erster Linie von der Ausgabenseite her (...) sofortige Ausarbeitung eines längerfristig wirksamen Sanierungspaketes (...) lediglich die Hälfte der frei werdenden Planstellen im Bundesdienst nachbesetzen (...) Erhöhung des Anteils am BIP für Forschung und Entwicklung (...) Wahlrechtsreform, um dem Wähler eine stärkere Mitwirkung bei der Bestimmung seines Mandatars einzuräumen (...) Stärkung der Minderheitsrechte im Nationalrat (...) Kompetenzverteilung in Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zeitgemäß weiterentwickeln (...) Personalentscheidungen im öffentlichen Dienst nach sachlichen Gesichtspunkten unter Ausschluss parteipolitischer Erwägungen (...) Maßnahmen gegen den steigenden Anfall an vorzeitigen Pensionierungen (...) Stabilisierung des Bundesbeitrags zur Pensionsversicherung.

Das ist natürlich nur ein kleiner Teil des Koalitionspakts - aus dem Jahr 1987, beim "Neustart" der Koalition. Man sieht: Die Themen sind seit 13 Jahren dieselben. Doch die durchaus richtigen Problemanalysen fanden nur - im Koalitionspakt 1987 wie in allen folgenden - in Überschriften ihren Niederschlag. Der Schritt von der Diagnose zur Therapie, scheiterte stets - wenn nicht am Willen der Akteure, dann an der unterschiedlichen parteipolitischen Interessenslage der Regierungspartner.

Das höchste der Gefühle waren Reformen nach dem Motto "darf's ein bisserl weniger sein?" - bei der Budgetsanierung ebenso wie bei der Pensionsreform. Doch mit homöopathischen Dosen sind bei weitem nicht die gewünschten Effekte zu erzielen.

In den laufenden Verhandlungen wurden und werden dieselben Fehler gemacht wie in allen vorherigen, seit 1986/87: Als notwendig erkannte Maßnahmen werden, um nicht in den jeweiligen Parteigremien zu scheitern, nicht konkret fixiert, sondern als Zielvorstellungen nebulos in den Raum gestellt.

Bloß: Warum sollten SPÖ und ÖVP, die heute gemeinsam gerade noch über 60 der Wählerstimmen verfügen, mehr Mut zu unpopulären Maßnahmen haben als 1986/87 mit knapp 85 ?

Wertvolle Zeit wurde vergeudet - in den vergangenen 13 Jahren ebenso wie in den dreieinhalb Monaten seit der letzten Nationalratswahl. Wobei sich die Schuld dafür auf beide Parteien verteilt. Denn auch Viktor Klima hat es verabsäumt, in seiner Partei den Boden für jene notwendigen Maßnahmen vorzubereiten, die Voraussetzung dafür sind, dass die widerstrebende ÖVP zurück in die Koalition kommt: Von der Budgetsanierung über die Pensionsreform bis zur Standortsicherung.

Selbst wenn SPÖ und ÖVP wider erwarten doch noch abschließen: Mit einem solchen Programm ist der Absturz programmiert. Drohungen mit Neuwahlen sind da wenig hilfreich. Notwendig wäre ein Personalaustausch an beiden Parteispitzen, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Doch dieser zeichnet sich nicht ab - und würde vielleicht auch schon zu spät kommen.

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