Gefangen in der Koalitionsfalle
Warum uns Weiterwursteln nicht erspart bleibt
(Von Hans Köppl)
Die Koalition, ein österreichisches Schicksal? Wir haben sie, wir können nicht ohne sie und wir müssen mit ihr. Selbst ungeachtet des unseligen Umstands, dass sie selbst längst nicht mehr kann. Spätestens seit der Wahl am vergangenen 3. Oktober steckt Österreich in einer Koalitionsfalle, aus der es absehbar kein Entrinnen gibt. Regieren heißt koalieren. Alles andere hat keine Chance auch nur auf mittelfristigen Bestand.
Die große Koalition nach dem Krieg war wahrscheinlich die einzig richtige Regierungsform, das geschundene Land zu einem ersprießlichen Gemeinwesen werden zu lassen. Mit den Sozialpartnern im Hintergrund wurde Österreich zur wohlhabenden Konsensdemokratie mit Vorzeigecharakter. Allfällige Konflikte wurden in Hinterzimmern im Keim erstickt. Das entsprach zwar nicht gereifter, demokratischer Diskurskultur, umso mehr aber österreichischem Wesen, Konflikten aus dem Weg zu gehen.
Doch Koalitionen sind heimtückische Konstrukte. Es müssen sich zwei (oder auch mehrere) unterschiedliche Partner zusammenzwingen, die nie fugenlos zusammenpassen können. Sie bleiben auch in der funktionalen Partnerschaft Kontrahenten, die längstens alle vier Jahre den Wählern ein eigenes Profil nachweisen und sich mit eigenständigen Regierungsinhalten präsentieren sollen.
Wie neu kann nun eine ãKoalition neuÒ sein, die jetzt kommen soll? Kein Austausch von Personen, kein Abtausch von Ministerien und Kompetenzen, keine programmatische Einigung auf zukunftsweisende Inhalte (was schon unheimlich viel wäre) ändert etwas am genetischen Code dieser mühseligsten aller Regierungsformen. Koalition bleibt Koalition. An ihrem Ende vor der nächsten Fortsetzung stehen stets Gewurstel und Gewürge.
Es ist der Fluch von unserm edlen Haus, auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu strebenÒ, beschrieb Franz Grillparzer die österreichische Eigenart, die sich auch im jüngsten Wählervotum widerspiegelt. Eine verfluchte Willensbekundung, die eindeutig auf halbem Wege stecken geblieben ist. Nachträglich bestätigt von widersprüchlichen Umfragen. Was wollten die Wähler wirklich am 3. Oktober?
Wir haben verstanden, beteuerten unisono Spitzenpolitiker von VP und SP. Schön. Und was kommt jetzt? Letztlich läuft alles, was immer in den nächsten Wochen und Monaten passieren mag, auf eine neuerliche Koalition hinaus.
Spätestens seit 1987 laboriert Österreich an chronischer Koalitionitis. Damals hätte noch die Möglichkeit bestanden, auf ein Mehrheitswahlrecht überzugehen und den Bürgern die Wahlmöglichkeit zwischen sozialdemokratischem und christdemokratischem politischen Gestalten in die Hand zu geben. Opportunität und Feigheit haben nicht einmal den Gedanken daran aufkommen lassen. Heute könnte ein Mehrheitswahlrecht zum demokratiepolitischen Wagnis mit unbekanntem Ausgang werden. Vergessen wir es also.
Was verbleibt, ist weiterzuwursteln, bis die Wähler vielleicht einmal doch zu ganzer Tat schreiten.
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