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Rieder: Wissenschaft braucht Vertrauen in der Bevölkerung

Tätigkeitsbericht 1999 des Wiener Härtefallfonds

Wien, (OTS) "Die Entfernung von Leichenteilen zu wissenschaftlichen Zwecken ohne Einwilligung der Angehörigen entspricht der Gesetzeslage in Österreich, die Frage der Information in solchen Fällen bedarf jedoch einer Neubetrachtung", erklärte Wiens Gesundheitsstadtrat Dr. Sepp Rieder am Freitag im Rahmen der Präsentation des Tätigkeitsberichtes 1999 des Wiener Härtefallfonds für Opfer von Medizinschäden, in deren Verlauf der Gesundheitspolitiker zu aktuellen Fragen der Medizinethik Stellung nahm. An der Präsentation nahmen auch Gemeinderat Dr. Johannes
Hahn und der Wiener Patientenanwalt Prof. Dr. Viktor Pickl teil.

Gesetzeslage ist ausreichend klar

Diese rechtliche Regelung ist anolog jener bei Transplantationen, die in Österreich bereits 1982 neu geregelt wurde. "Aufgrund der positiven Erfahrungen würde ich mich gegen Bestrebungen, an dieser Gesetzeslage etwas zu ändern, zur Wehr setzen. Dies deshalb, weil der medizinische Fortschritt auch in Zukunft davon abhängig ist, dass auf solchem Weg wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden. Diese Regelungen sind auch die Grundlage für die per Einwohner weltweit höchste Transplantationsrate in Österreich", betonte Rieder.

Nicht vergessen werden dürfe, so Rieder, aber bei allen wissenschaftlichen Untersuchungen, bei denen Leichenteile
verwendet werden, weder der medizinisch-ethische Grundsatz von der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck, noch die entsprechende pietätvolle Rücksichtnahme.

Offene und ehrliche Information bringt Verständnis

Änderungsbedarf ortet Rieder in der Frage der Informationspolitik der Wissenschaft. "Die Wissenschaft braucht
die Vertrauensbasis einer informierten Bevölkerung. Ich halte nichts von einer Wissenschaft hinter verschlossenen Türen, deren Methoden und Ergebnisse nur im ´Enthüllungsweg´ bekannt werden. Gerade in Österreich, wo der medizinische Fortschritt wie in
keinem anderen Land allen Bevölkerungsschichten zugute kommt, kann die Wissenschaft durch eine offene und ehrliche
Informationspolitik auf das Vertrauen der Menschen hoffen", so Rieder. "Das beweisen auch die positiven Erfahrungen bei der Frage der Organentnahmen zu Transplantationszwecken, wo durch gute Information und Kommunikation Verständnis bei betroffenen Angehörigen erzeugt werden konnte und kann", betonte Rieder.

Im konkreten Einzelfall einer Organentnahme zu Forschungszwecken stelle das erwünschte Informationsgespräch mit Angehörigen allerdings an beide Seiten hohe Anforderungen, so Rieder weiter. Daher muss dieses Gespräch in Zukunft Teil eines umfassenden psychologischen Betreuungsprogrammes sein, das ja
schon allein notwendig wird, wenn man Eltern die Nachricht vom Tod eines Kindes überbringen muss. Rieder: "Wir werden dazu ein unter Mitwirkung aller betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Medizinethiker und des Wiener Patientenanwaltes ein entsprechendes Programm erarbeiten".

Tätigkeitsbericht des Wiener Härtefallfonds für Opfer von Medizinschäden

Im Herbst 1997 richtete die Stadt Wien als erstes und bisher einziges Bundesland einen Härtefallfonds für Opfer von Medizinschäden ein. Dem Fonds stehen jährlich 8,5 Millionen Schilling zur Verfügung, wobei die Höchstsumme pro Fall bei 300.000 Schilling liegt. Voraussetzung für die Inanspruchnahme ist der Hauptwohnsitz in Wien.

Mehr Zahlungen an mehr Patienten

1999 wurden an 63 PatientInnen 5,778.000 Schilling
ausbezahlt, 1998 5,060.000 an 57 PatientInnen. Insgesamt wurden
1999 70 Patientenschäden vom Härtebeirat behandelt, 63 wurden positiv erledigt, 6 negativ, 1 Fall ist noch offen.

Der überwiegende Anteil der Empfehlungen betraf Operationsschäden, bei denen eine erfolgreiche Durchsetzung von Ansprüchen auf dem Rechtsweg nur mit einem aufwändigen und lange dauernden Beweisverfahren oder nicht mit Sicherheit zu erwarten
ist.

Nicht jedes unerwünschte Ergebnis ist ein Kunstfehler

Die Richtlinien des Wiener Härtefallfonds gehen davon aus, dass nicht jeder medizinische Eingriff, der nicht das gewünschte Ergebnis bringt, automatisch ein Kunstfehler ist. Die Grenze zwischen vermeidbarem Misserfolg und Behandlungs- und Untersuchungsfehler ist für Patienten nur sehr schwer abschätzbar und oft auch fließend. Für diese Grauzone wurde der Wiener Härtefallfonds geschaffen, dessen Entscheidungen auf dem Boden des Haftpflichtrechts erfolgen, also weder eine Erfolgshaftung noch
eine verschuldensunabhängige Haftung sind.

Vier Mal wurde Höchstsumme ausbezahlt

Finanzielle Hilfen in der Höchstsumme von 300.000 Schilling wurden 1999 bei folgenden Schäden empfohlen:

1. Sachlich verspätete Diagnose eines Leberkrebses mit resultierendem Versäumnis einer aussichtsreichen Behandlung;

2. Zu späte Diagnose bei Aortenaneurysma mit Querschnittlähmung als Folge;

3. Zur Prozessbeendigung nach einer am 10.1.1991 durchgeführten Operation;

4. Gallenoperation mit 4 Folgeoperationen, die durch die angewandte endoskopische Operationstechnik nötig wurden.

In 7 Fällen wurden finanzielle Hilfen in der Höhe von 200.000 Schilling bis 300.000 Schilling in fünfzehn Fällen in der Höhe von 100.000 Schilling bis 200.000 Schilling empfohlen.

In allen Fällen war die Hilfe auch aus Härtegründen geboten, wobei nicht nur soziale, sondern auch medizinisch bedingte Härten (wie dauernde Leiden, Behinderungen, Schmerzen oder entstellende Narben) berücksichtigt wurden.

Der Beirat des Wiener Härtefallsfonds

Der Beirat des Wiener Härtefallfonds wurde am 20. November 1997 konstituiert. Den Vorsitz des Beirates führt der Wiener Patientenanwalt Dr. Pickl. Die weiteren Mitglieder sind:

o Oberschwester i.R. Elfriede Auinger
o Rechtsanwalt Dr. Friedrich Leon
o Univ.Prof. Dr. Georg Geyer, ehem. Vorstand der II. Univ.Klinik

für Innere Medizin
o Dr. Walter Dobner, Leiter der Rechtsabteilung des Wiener

Krankenanstaltenverbundes

Über Anregung des Beirates wurden aus Anlass der Bearbeitung von Härtefällen auch Maßnahmen als Beitrag zur Qualitätssicherung empfohlen, wie etwa zur Vermeidung von Operationsverschiebungen,
zu entsprechender Behandlung von Schmerzen, zur besseren und ausführlichen ärztlichen Aufklärung und zur möglichen Vermeidung von Lagerungsschäden bei Operationen (die immer wieder vorkommen und den Operationserfolg schmälern).

Der überwiegende Anteil der empfohlenen finanziellen Hilfen betraf Schäden, durch schulmäßig korrekt durchgeführte Operationen, bei denen eine erfolgreiche Durchsetzung von Ansprüchen nur mit einem aufwändigen und lange andauernden Beweisverfahren oder nicht mit Sicherheit zu erwarten ist.

Die 6 negativen Erledigungen mussten mangels eines Zusammenhanges zwischen den angeschuldigten medizinischen Behandlungen und den behaupteten Schäden, mangels Kenntnis der Schadensursache, mangels eines Schadensnachweises, sowie auf Grund der Richtlinien ergehen.

Statistik

Die Anzahl der behandelten Schadensfälle in den Wiener Krankenanstalten entspricht im Wesentlichen ihrer Bettenzahl, was für einen einheitlichen Standard in den Wiener Krankenanstalten spricht.

Gesamtzahl der behandelten Fälle:

1998 1999
73 70
davon positiv mit finanzieller
Hilfe erledigt 57 63
davon negativ mit Ablehnung beschieden 14 6
davon noch offen 2 1

Empfohlener Gesamtbetrag: 5,060.000 5,778.000 (Schluss) mmr/nk

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