Generali Foundation: Martha Rosler
POSITIONEN IN DER LEBENSWELT
Wien (OTS) - "Bringing the War Home" (Der Krieg kommt ins Haus), eine Serie von Fotomontagen, oder "B-52 in Baby Tears", eine Installation aus Pflanzen, in welchen die Umrisse eines B-52 Bombers ausgespart sind, wurden von Martha Rosler vor ca. 30 Jahren als Reaktion auf den Vietnamkrieg geschaffen. Mehr denn je erweisen sich diese Werke (bedauerlicherweise) als aktuell. Die Generali Foundation zeigt erstmals einen Überblick über das vielfältige Werk der amerikanischen Künstlerin Martha Rosler, das seit den neunziger Jahren für die jüngere Generation großen Einfluß gewonnen hat. Weiters ist geplant, mit Martha Rosler eine Arbeit eigens für Wien zu realisieren. ****
Pressevorbesichtigung, Dienstag, 11. Mai 1999, 10.30 Uhr - die Künstlerin ist anwesend
Eröffnung der Ausstellung, Dienstag, 11. Mai 1999, 19.00 Uhr Ausstellungsdauer 12. Mai - 8. August 1999
Am Mittwoch, dem 12. Mai, um 19 Uhr, findet ein Gespräch mit Martha Rosler statt.
In Ausstellungsgesprächen, an bestimmten Donnerstagen, jeweils um 19 Uhr, wird das Werk von Martha Rosler aus verschiedenen Perspektiven betrachtet:
20. Mai: Dr. Daniela Hammer-Tugendhat, a. o. Prof. Universität für angewandte Kunst, Kunsthistorikerin
10. Juni: Judith Fischer, Autorin
24. Juni: Ariane Müller, Stadtplanerin
1. Juli: Margherita Spiluttini, Architekturfotografin
22. Juli: Alexander Horwath, Filmkritiker und -kurator
Zur Ausstellung erscheint eine umfassende deutschsprachige Monografie mit einem Interview von Benjamin H.D. Buchloh und Aufsätzen von Alexander Alberro, Silvia Eiblmayr, Annette Michelson, Martha Rosler, Catherine de Zegher sowie einem illustrierten Werkverzeichnis mit Kurzbeschreibungen von Sabine Breitwieser (Co-Verleger Walther König, Köln). Gemeinsam mit Ikon Gallery wurde auch eine englischsprachige Monografie herausgegeben (Co-Verleger MIT, Cambridge/USA).
Die Ausstellung ist an fünf Institutionen in Europa und den USA zu sehen und wurde mit der Ikon Gallery, Birmingham, co-organisiert und von der Andy Warhol Foundation for the Visual Arts unterstützt.
Ausstellung kuratiert von: Sabine Breitwieser
Mitarbeit: Hemma Schmutz
Grafische Gestaltung der Printmedien: Dorit Margreiter
Führungen jeden Sonntag, 15 Uhr
Programm für Schulklassen: Anmeldung Telefon (01) 504 98 80 DW 11
Ausstellungszeiten: Di, Mi, Fr 11-18, Do 11-20, Sa, So, feiertags 11-16 Uhr
Geschäftsführung und Künstlerische Leitung: Sabine Breitwieser
Martha Rosler
Seit Ende der sechziger Jahre nimmt Martha Rosler in beißend-kritischen aber auch humorvollen Arbeiten zu aktuellen, gesellschaftlich relevanten Themen Stellung und geht dabei Fragen der zeitgenössischen Kunst nach. Mit ihrem Blick auf die alltäglichen Dinge des Lebens dekonstruiert sie Schicht für Schicht die "Mythen des Alltags". Rosler hat einflußreiche Arbeiten in den Bereichen Fotografie, Installation, Performance, Video, Textarbeiten sowie als Autorin kritischer und theoretischer Aufsätze geschaffen. Sie ist keinem speziellen Medium verhaftet und arbeitet mit den Methoden und Strategien, die ihr für die jeweilige Thematik adäquat erscheinen. Martha Rosler ist es ein besonderes Anliegen, über den Kreis professionell Kunstinteressierter hinaus, ein breites, allgemeines Publikum zu erreichen. Sie verwendet in ihren Werken daher ganz bewußt eine Sprache, mit der viele vertraut sind, und scheut dabei auch die Burleske nicht. Viele Ihrer Werke haben persönlichen, anekdotischen Charakter - offen bleibt, ob der Hintergrund autobiografisch oder fiktiv ist. Für Martha Rosler hat ein künstlerisches Werk dann Aussicht auf Resonanz, wenn es das Verhältnis zwischen direkter Erfahrung und den Umständen, die diese verursachen und vermitteln, sichtbar macht.
Ihre scharfen Analysen und ihren trockenen Humor hat Rosler insbesondere auf die Rolle der Massenmedien, und hier vor allem im Krieg, gerichtet. In der Serie der inzwischen legendären Fotomontagen "Bringing the War Home: House Beautiful" beziehungsweise "Bringing the War Home: In Vietnam" (1967-72) hat Rosler ihren Unmut wegen der Berichterstattung über den Krieg in Vietnam artikuliert. In Abbildungen von Wohnräumen aus "Schöner Wohnen" montierte sie Kriegsszenen aus dem "Life-Magazine" und anderen Zeitschriften, respektive in Szenen aus Vietnam Bilder aus den USA. Diese Fotomontagen wurden von Rosler ohne weiteren Kommentar in kalifornischen alternativen Zeitschriften veröffentlicht. Mit diesen manipulierten Szenerien wollte sie eine Reflexion über die tatsächliche Erfahrung des Krieges im Ausland, und wie dieser zu Hause vor den Fernsehapparaten oder aus Zeitungen erlebt wird, evozieren.
Martha Rosler hat sich in ihrer Arbeit stets kritisch zur Positionierung der Frau in der Gesellschaft geäußert. In einer weiteren Serie von Fotomontagen mit dem Titel "Beauty Knows No Pain or Body Beautiful" (1965-74) kritisiert sie die Darstellung der Frau in den Medien als Symbol für Sexualität und den Warenkreislauf sowie die Zuweisung bestimmter Attribute, wie Häuslichkeit oder Gefühl. Unter dem Einfluß der Frauenbewegung hat Rosler begonnen, mit Performance zu arbeiten. In "Monumental Garage Sale" (1973), einer Multimedia-Installation und Performance, hat sich die Künstlerin -zum ersten Mal als Person physisch involviert - mit der Konstruktion und Repräsentation des (weiblichen) Selbst beschäftigt. In einer Reihe von weiteren
(Video)Performances wie z. B. "Vital Statistics of a Citizen, Simply Obtained" (1973) "Semiotics of the Kitchen" (1975) oder "Martha Rosler Reads Vogue" (1982), um nur die bekanntesten zu nennen, hat dies Kontinuität erfahren.
Mitte der siebziger Jahre sind die ersten seriellen Postkartenromane entstanden, in denen Rosler ausschließlich Text als Träger ihrer Botschaften verwendet. In dieser Zeit entsteht eine Reihe von kurzen, persönlichen Geschichten, die aus der eigenen Erfahrung Roslers, der von Bekannten und aus anderen Quellen gespeist sind. In diesen Anekdoten werden überwiegend feministische Themen aufgeworfen und dabei spezifische soziale Schichten charakterisiert. In einzelne Kapitel unterteilt, wurden diese Geschichten in Abständen von ca. einer Woche an bestimmte Personen versandt. Roslers Hintergrund ist neben der bildenden Kunst einer der Literatur und der Dichtkunst. Seit sie begonnen hat, mit Performance und Video zu arbeiten, gibt es kaum ein Werk von ihr, zu dem nicht offiziell ein Manuskript oder ein begleitender Text existiert, oder das nicht ohnehin eine Textarbeit ist. Schreiben ist für Martha Rosler eine Möglichkeit, sich unmittelbar und direkt einzubringen, eine Form, die sich ihrer Ansicht nach nicht so sehr von ihrem visuellen Werk unterscheidet.
In den Postkartenromanen taucht auch erstmals Nahrung als Thema auf, das schließlich eine Schlüsselrolle im Werk der Künstlerin einnimmt. Rosler erkennt Nahrung als zentralen Faktor in sozialer und wirtschaftspolitischer Hinsicht. In einer Reihe ihrer Arbeiten wird das Verhältnis von Nahrung und Frauen, die traditionell für die Produktion von Nahrung und Ernährung im allgemeinen zuständig sind, untersucht. Im Postkartenroman und im späteren gleichnamigen Video "A budding gourmet" (1974) erzählt eine Frau, wie sie sich von der hohen Kunst des Kochens, durch die Produktion und den Konsum von Gourmet- und exotischer Küche, eine Verbesserung ihres Lebens erhofft. In "Tijuana Maid" (1975) wird Kochen aus der Position einer mexikanischen Mutter zweier Kinder, die in den USA illegal als Haushälterin arbeiten muß, betrachtet. In "Losing" (1977) behandelt Rosler den Fall eines an Magersucht verstorbenen Mädchens - und wie Nahrung als Druckmittel gegenüber der engeren Umwelt oder als wirtschaftspolitische Waffe eingesetzt werden kann.
Ein weiterer wichtiger Aspekt im Werk von Martha Rosler ist die kritische Auseinandersetzung mit den urbanen Strukturen, in denen wir leben: mit Städten, Flughäfen, der Straße und dem Auto, als den Orten unserer täglichen Erfahrung, sowie ihrer sozialen Implikation. Schon Mitte der siebziger Jahre hat Rosler in der bekannten Foto-Text-Installation "The Bowery in two inadequate descriptive systems" (1974-75) die Rolle und Repräsentation
der Dokumentarfotografie hinterfragt, indem sie Aufnahmen leerstehender Geschäftslokale der Bowery, einer von Obdachlosen bevölkerten Straße in New York, Manhattan, fotografierten Texten, einer "Poesie der Trunkenheit" gegenüberstellte. In den Fotoserien der letzten Jahre, "Transitions and Digressions" (1981-97), "Rights of Passage" (seit 1993) und in der Foto-Text-Installation "In the Place of the Public" (1990) hat Rosler diese Themen weiter verfolgt. In dem von Martha Rosler 1989 in der Dia Art Foundation in New York kuratierten, sechs Monate dauernden Projekt "If You Lived Here..." wurden in drei Gruppenausstellungen, verschiedenen Diskussionsrunden in Verbindung mit Film- und Videovorführungen, Lesungen etc. Themen wie Obdachlosigkeit, Architektur, Stadtplanung u.a.m. behandelt.
Sabine Breitwieser
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