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Zum "Tag des Tees" - 7. November 1998 Tee im Urteil der Wissenschaft

Wer trinkt Tee?

Wien (OTS) - Mehr als die Hälfte der Österreicher trinken Tee, fast ein Drittel aller Erwachsenen zählen sogar zu den Vielverwendern. Verdichtet man die verschiedenen Untersuchungen zur Demographie und der Psychogramme der Teetrinker, so erhält man folgendes Bild: Die typischen Teetrinker beschäftigen sich gern mit Kochen und Essen, sie sind kulturell interessiert, kaufen sehr bewußt ein und bevorzugen einen individuell geprägten Lebensstil. Das wichtigste am Teetrinken ist für sie das Genußerlebnis - die bewußte Wahrnehmung von Aroma und Geschmack.

Gerade in jüngster Zeit beschäftigen sich Wissenschafter in verschiedenen Forschungsprojekten mit einem weiteren Aspekt des Tee-Genusses, der für den Verbraucher weniger im Focus steht: die gesundheitsfördernde Wirkung der einzelnen Inhaltsstoffe. Es ist erstaunlich, daß eines der ältesten Genußmittel der Welt erst jetzt intensiv erforscht wird.

Was enthält Tee?

Wie Rotwein ist der Tee, insbesondere der grüne, in den vergangenen Jahren positiv "ins Gerede" gekommen. Der Grund dafür sind gesundheitliche Wirkungen, die beiden Getränken zugesprochen und für die in beiden Fällen die Polyphenole verantwortlich gemacht werden. In den USA gibt es eine Reihe von kommerziellen Präparaten, die u.a. Polyphenolextrakte aus Tee und/oder Rotwein enthalten.

Unbestritten ist die Tatsache, daß Tee als Aufguß keinen Nährwert besitzt und man sich "ohne Kalorien" einige physiologisch interessante Naturstoffe zuführen kann. Es gibt als Handelsprodukte grünen und schwarzen Tee, daneben einige "Zwischenstufen" wie z.B. Oolong-Tees. Der Unterschied bei der Herstellung besteht in der sogenannten Fermentation, einer Umsetzung durch blatteigene Enzyme.

Polyphenole sind eine Sammelbezeichnung für Verbindungen mit meist mehr als zwei Phenol- oder Phenolether-Gruppen am aromatischen Ring, die unterschiedlichen Stoffklassen angehören, z.B. Hydroxyzimtsäuren, Catechine und Leucoanthocyanidine, Anthocyanidine, Flavanone und Flavone, Flavonole. Die Flavonoide stellen eine Untergruppe der Polyphenole dar.

Dazu gehören z.B. die Catechine, Flavone und Flavonole. Flavonoide sind in der Natur sehr weit verbreitet und auch in vielen Obst- und Gemüsesorten nachgewiesen worden. Die Anzahl der natürlich vorkommenden Verbindungen ist sehr groß, es sind z.B. weit über tausend Flavonoide bereits identifiziert worden.

Aus den Catechinen entstehen während der "Fermentation" die Theaflavine und Thearubigine. Auch bei den Theaflavinen gibt es mindestens 12 Verbindungen (Theaflavinsäuren, Theaflagalline u.a.), von denen vier in deutlich höherer Konzentration als die anderen vorkommen.

Eine andere Gruppe sind die Flavonolglycoside; bekannt aus dieser Gruppe ist das Rutin (ein Quercetinrhamnoglucosid). Die Rutinaufaufnahme bei einem Konsum von etwa 1 Liter Tee am Tage ist etwa mit derjenigen vergleichbar, die durch Knoblauchpastillen erreicht wird (in beiden Fällen etwa 10 - 20 mg). Das Rutin stammt im Falle der Pillen z.B. aus Weißdornextrakten. Allgemein sind Flavonoglycoside aus einem Aglycon (dem eigentlichen Flavonoid) und einem oder mehreren Zuckerbausteinen aufgebaut. Im Tee sind minstens 12 verschiedene Flavonoglycoside zu finden.

Was bewirkt Tee?

Die Polyphenole, früher weniger differenziert, Tannine oder auch Gerbstoffe genannt, treten mit Eiweiß in Wechselwirkung, ergeben mit bestimmten Reagentien Färbungen und verlangsamen die physiologische Aufnahme des Coffeins (daher die Langzeitwirkung des Tees als "Muntermacher").

In ihrer Gesamtheit haben die im Tee - egal ob Grüntee oder Schwarztee - enthaltenen Substanzen antikanzerogene, antioxidative, antibakterielle, blutzuckersenkende, cholesterinhemmende und kardioprotektive Wirkungen sowie einen Antikaries-Effekt.

Krebsvorbeugende und krebshemmende Wirkungen von Tee

Die Erkenntnis der amerikanischen Ärztin Elizabeth Blackwell (1821 bis 1910) "Vorbeugen ist besser als Heilen" ist hochaktuell, seit vorbeugende Maßnahmen verstärkt von der Medizin propagiert werden. Das Schlagwort für diese Maßnahmen lautet "Prävention". Unter Primärprävention versteht man die Ausschaltung von krebserzeugenden Agentien aus der Umwelt (bestes Beispiel: Asbest) oder das Vermeiden der Gefahrenquellen (bestes Beispiel: Rauchen). Unter Sekundärprävention ist die Einnahme von natürlichen oder chemischen Substanzen zu verstehen, die den Prozess der Krebsentstehung hemmen, blockieren oder gar rückgängig machen zu können.

Die überwiegende Zahl an Experimenten ist mit grünem Tee durchgeführt worden - einfach aus dem Grund, weil die meisten Studien aus dem asiatischen Raum stammen, in dem vorwiegend grüner Tee getrunken wird. In den letzten Jahren werden jedoch, vor allem in Amerika und Europa, auch zunehmend Versuche mit schwarzem Tee vorgenommen, der qualitativ die gleichen positiven Wirkungen hat. Die Zahl der Veröffentlichungen über die Hemmung mutagener oder kanzerogener Prozesse durch Tee geht in die Hunderte. Hier sind insbesondere die im Tee enthaltenen, zu den Polyphenolen zählenden, reinen Inhaltsstoffe Epicatechin (EC), Epigallocatechin (EGC), Epicatechingallat (ECG) und Epigallocatechingallat (EGCG) sowie die Thearubigine udn Tehaflavine von Bedeutung.

Bei entzündlichen Prozessen spielen reaktive Sauerstoffspezies (ROS aus dem engl. "reactive oxygen species") eine entscheidende Rolle. ROS können Veränderungen in der Erbsubstanz auslösen, die unter bestimmten Umständen zur Umwandlung einer gesunden Zelle in eine Tumorzelle führen. Einige Inhaltsstoffe von Tee wirken antioxidativ, d.h. sie können diese ROS in effektiver Weise "entschärfen".

Antioxidantien sind also Substanzen, die die Oxidation von Fetten verzögern. Primär geschieht das durch Abbruch der Radikalkettenreaktion, sekundär werden bestimmte Metalle desaktiviert und verschiedene Formen von Sauerstoff "gefangen" bzw. inaktiviert. Manchen Lebensmitteln werden Antioxidantien zur Stabilisierung zugesetzt. Reaktive Sauerstoffspezies (Peroxide, Peroxylradikale u.a.) können im Organismus Oxidationen (der DNA, an Membranlipiden, Lipoproteinen und Proteinen) hervorrufen. Die natürlichen Schutzmechanismen des Organismus sind nicht immer ausreichend, sodaß eine Unterstützung durch Antioxidantien aus der Nahrung wünschenswert erscheint. Grüner und schwarzer Tee haben deutlich höhere antioxidative Wirkungen als die meisten Früchte und Gemüsearten und sind stärker wirksam als die Vitamine C, E und die Carotinoide.

Andere Substanzen sind erst nach einer Umwandlung durch bestimmte Enzyme in der Lage, mutagene oder kanzerogene Veränderungen in der Zelle auszulösen. Diese Enzyme sind sowohl durch schwarzen Tee als auch durch grünen Tee hemmbar. Im Verlauf der enzymatischen Aktivierung entstehen reaktionsfreudige Zwischenstufen, die sogenannten proximalen und altimalen Kanzerogene. Diese können von den Inhaltsstoffen des Tees abgefangen werden, bevor sie mit bestimmten Stellen in der Zelle reagieren und so einen kanzerogenen Prozeß in Gang setzen können.

Nitrosamine sind krebserzeugende chemische Verbindungen, die z.B. im Tabak vorkommen. Sie können aber auch im Magen des Menschen bei der Reaktion von z.B. Nitrit aus Pökelsalz und Aminoverbindungen entstehen. Durch Trinken von ca. 3 - 5 Gramm Tee pro Tag kann diese gefährliche Reaktion verhindert werden.

Zu Krebsmetastasen kommt es, wenn ein Tumor in umgebendes Gewebe oder in Blutkapillaren eindringt. Krebszellen können so über die Blutbahn in andere Regionen des Körpers gelangen, wo sie zur Bildung von Tochtergeschwulsten führen. Auch hier spielen Enzyme wieder eine wichtige Rolle und zwar die eiweißabbauenden Enzyme, die das Eindringen in das Gewebe ermöglichen. Urokinase ist beispielsweise ein solches Enzym, das durch Teekonsum entscheidend gehemmt wird.

Wirkungen gegen Herzerkrankungen (kardioprotektive Wirkungen)

Im Prinzip basieren auch diese auf antioxidativen Mechanismen. Koronarerkrankungen stellen in der westlichen Welt eine der häufigsten Todesursachen dar. Sie gelten als Erkrankungen, die verschiedene Ursachen haben können. Eine dieser Ursachen ist die Oxidation von LDL (low density lipoprotein = eine unter anderem Cholesterin enthaltende Komponente im Blut). Wenn die Oxidation von LDL verhindert wird, wird daduch vor Herzinfarkt und ähnlichen Erkrankungen geschützt. Tee-Flavonoide (Catechine, Flavonolglycoside und Theaflavine) stellen einen Oxidatonsschutz der LDL dar.

Das wurde durch in vitro und in vivo Studien belegt. Die Voraussetzung dafür, daß die Flavonoide die Wirkungen aus den "Reagenzglasversuchen" auch beim Menschen zeigen, ist die Bioverfügbarkeit, d.h. die Aufnahme in den Körper.

Antikaries-Wirkungen

Für die antikariöse Wirkung wird. u.a. die Hemmung der plaquebildenden Enzyme, wie der Glycosyltransferase von Streptococcen (u.a. Karieserreger) durch Theaflavin und EGCG verantwortlich gemacht. Die Hemmung der Plaquebildung stellt einen Schutz der Zähne dar. Neuere Arbeiten legen auch nahe, daß durch oxidierte Polyphenole, wie sie z.B. in Oolong oder schwarzen Tees vorhanden sind, ebenfalls eine solche Enzymhemmung und damit karieshemmende Wirkung eintritt. Tee enthält außerdem relativ viele Fluoride, die über andere Mechanismen auch zu einem Kariesschutz beitragen können.

Zusammenfassung

Den Flavonoiden in Tee werden positive Wirkungen, wie antikanzerogene, anticariogene Effekte, kardioprotektive Wirkungen u.a.m. zugesprochen. Die heilsamen Wirkungen sind nicht auf den grünen Tee beschränkt, sondern gehen auch von den Inhaltsstoffen des schwarzen Tees aus. Das Bewußtsein um die positiven Eigenschaften des Tees (neben seiner krebshemmenden Wirkung wirkt er auch antbakteriell, antioxidativ, cholesterinsenkend und bewirkt vieles mehr), gibt dem Teetrinker und der Teetrinkerin das gute Gefühl etwas für die Gesundheit zu tun. Teetrinken allein reicht aber nicht aus, grobe Ernährungssünden auszugleichen, d.h. es wäre eine Illusion zu glauben, daß man nur genügend Tee trinken müsse, um die schädlichen Effekte des Rauchens, des Alkoholmißbrauchs, der unausgewogenen oder zu fetten Ernährung und was dergleichen mehr ist, ausgleichen zu können.

Als Schlußfolgerung bleibt daher festzustellen, daß es auch bei kritischster Betrachtung keinen Grund gibt, den Tee - grünen oder schwarzen - nicht zu empfehlen. Im Gegenteil - es ist nach derzeitigem Stand der Wissenschaft sehr wahrscheinlich, daß Tee zur Gesunderhaltung der Bevölkerung beiträgt. Man sollte dazu auch den großen Genußwert nicht unterschätzen, den die Vielfalt der Teegeschmäcker und -aromen biete, die ihrerseits maßgeblich zum Wohlbefinden beiträgt.

Zum Schluß ein wichtiger Hinweis: Alle Aussagen beziehen sich auf Tee im botanisch richtigen Sinn. Die Bezeichnung Tee für alle Aufgüsse von Pflanzenteilen der Kamille, Pfefferminze, Früchte etc. bedeutet nicht, daß sie hiermit gemeint sind.

Genauere Literaturhinweise auf Anfrage.

Rückfragen & Kontakt:

Österreichisches Tee-Institut, Wien
Dr. Heinz Vejpustek
Tel.: 01/405 74 42, Fax: 01/408 78 11

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