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Steuerreform überfällig, Sozialumbau notwendig

Osterweiterung als Chance begreifen/Neues WKÖ-Gehaltssystem und Pensionsreform beschlossen

Wien (PWK) - "Der internationale Vergleich macht sicher: Abgesehen von den hohen Kosten für Telekommunikation und Energie und abgesehen vom wirklich hohen Bürokratisierungsgrad brauchen wir uns nicht zu verstecken, wenn wir die Qualitäten unseres Wirtschaftsstandortes mit denen im übrigen Europa vergleichen", erklärte WKÖ-Präsident Leo Maderthaner in seiner heutigen Kammertagsrede. Dennoch müsse vor allem im Sozialbereich, "beim Umbau, nicht beim Abbau unserer sozialen Errungenschaften" etwas reformiert werden. "Es geht uns darum, daß wir uns den hohen sozialen Standard auch künftig leisten können und daß gleichzeitig die Arbeitsplätze sicher bleiben". Das hieße "Europareife und nicht Weiterschleppen alter und überholter Strukturen, von denen wir heute schon wissen, daß sie auf Dauer nicht mehr finanzierbar sind". ****

Ebenso überfällig sei eine Steuerreform, die die österreichischen Betriebe und ihre Arbeitsplätze in der internationalen Konkurrenz lebensfähig erhält. "Mir geht es dabei um die Entlastung des Faktors Arbeit von Kostensteuern, die Stärkung der Eigenkapitalbasis unserer Betriebe und vor allem auch um eine entsprechende steuerliche Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich. An diesen Eckpunkten der Steuerreform führt kein Weg vorbei", betonte Maderthaner.

Ergebnis der österreichischen EU-Vorsitzführung sollte es sein, die statistischen Anforderungen an Unternehmen und Unternehmer deutlich zu reduzieren. "Ich glaube nach wie vor, daß viele statistische Angaben, die Unternehmer heute zu machen haben, vollkommen überflüssig sind und höchstens einmal Wirtschaftshistoriker beschäftigen können". Optimistisch sei er, sagte Maderthaner, wenn er "an die gemeinsamen Bemühungen von Behörden und Wirtschaftskammern zur Vereinfachung der Gewerbeanmeldung" denke. "Wir sind heute so weit, daß wir in einem Zug, praktisch in wenigen Minuten, eine Gewerbeanmeldung durchführen können, die früher oft Wochen gedauert hat".

Nach dem eindringlichen Aufruf, die von der Wirtschaftskammer geforderte Gründungsoffensive zu unterstützen und die Österreicherinnen und Österreicher zu mehr Selbständigkeit zu motivieren, forderte Maderthaner dazu auf, Österreichs EU-Vorsitzführung zu nützen: "Um uns in Europa, aber auch in der übrigen Welt zu positionieren, um Österreichs Image zu pflegen und in dem Schaufenster, in dem wir uns ab 1. Juli befinden werden, unsere Qualitäten entsprechend darzustellen".

Er stehe noch heute unter dem Eindruck dessen, was Papst Johannes Paul II. vor einer Woche in der Wiener Hofburg gesagt hat, gestand Maderthaner. "Mit der 'Europäisierung des gesamten Kontintents' sprach der Papst präzise das an, was wir Österreicher mit der sogenannten Osterweiterung wollen: Das ganze Europa, also vor allem mit den Ländern Mitteleuropas, mit denen wir seit Jahrhunderten verbunden sind und mit denen wir gemeinsam vor noch nicht einmal einem Jahrzehnt eine Öffnung der Grenzen geschafft haben".

Österreich sollte die geplante Osterweiterung, die ja nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann, ernst nehmen und sich nicht davor fürchten, sondern "sie als echte Chance begreifen". Maderthaner erinnerte an die ersten Trabi-Kolonnen, die seinerzeit von der ungarischen Grenze nach Passau gefahren sind und an den damaligen Außenminister Alois Mock mit der Drahtschere am Stacheldrahtzaun des Eisernen Vorhangs. Darauf sollten wir ebensowenig vergessen wie auf die Tatsache, daß inzwischen 14 Prozent der österreichischen Gesamtexporte im Jahr 1997 in die 10 Beitrittskandidaten-Länder gingen. Wissend um die Skepsis der Österreicher im Zusammenhang mit der Osterweiterung sehe er es daher als "unsere Aufgabe, diese Skepsis abzubauen. Wir sollten gemeinsam die Chancen nützen, die sich uns als Brücke in den Osten immer wieder angeboten haben und sicherlich auch zukünftig bieten werden. Das ist eine Herausforderung, die hohes Verantwortungsbewußtsein verlangt, weil wir die wirtschaftliche Öffnung zu unseren mitteleuropäischen Nachbarn behutsam und kontrolliert durchführen müssen, im Interesse der Menschen in beiden Regionen, beim Austausch der Waren und Dienstleistungen und bei der Harmonisierung der sozialen und der Umweltstandards".

Dank an Mitarbeiter, Reformen beschlossen

Schon im ersten Teil seiner Rede dankte WKÖ-Präsident Maderthaner allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern "für ihre oft mühsame und nicht immer entsprechend gewürdigte Arbeit". Er bekannte sich dazu, "daß wir uns, um höchstqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bemühen, die wir auch entsprechend entlohnen müssen". Maderthaner dankte auch den Mitgliedern des Zentralbetriebsrates, allen voran dem Obmann Werner Hackl für das sachliche und konstruktive Verhandlungsklima. Dem Kammertag teilte der WKÖ-Präsident mit: "Wir haben am Donnerstag, dem 25. Juni im Bundespersonalausschuß die grundsätzlichen Eckpunkte eines neuen Gehaltssystems und die Pensionsreform für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WKÖ und der neun Landeskammern beschlossen und damit ein weiteres wichtiges Kapitel in der Reform der Wirtschaftskammern abschließen können. Wir haben jetzt ein Pensionskassen-Modell. Nach der Abschaffung der Pragmatisierung vor fünf Jahren wird es künftig beim Gehaltssystem für neue Mitarbeiter auch die Biennien, also die automatische zweijährige Vorrückung ohne Leistungsbeurteilung, nicht mehr geben. Die Höherreihungen werden ebenso von einer Beurteilung abhängig sein wie die Zuerkennung von eventuellen Leistungsprämien".

Die mit der Personalvertretung vereinbarten Eckdaten des neuen Gehalts- und Pensionsreform-Modells, die noch im Detail zu verhandeln sind, wurden in einem von Präsident Maderthaner und Zentralbetriebsobmann Hackl unterzeichneten Brief festgehalten, der kommenden Montag allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugestellt wird. Er lege Wert darauf, betonte Maderthaner, daß die Belegschaft zuerst über die geplanten Reformen informiert wird.

Abschied von Helga Koch

Noch vor Beginn seiner Kammertagsrede erinnerte Präsident Maderthaner an die bleibenden Verdienste der scheidenden WKÖ-Generalsekretär-Stellvertreterin Dr. Helga Koch: "Sie hat das Handelskammergesetz weiterentwickelt, war an der Ausarbeitung des neuen Wirtschaftskammergesetzes maßgeblich beteiligt, wirkte mit bei der Schaffung der neuen WK-Finanzierungsgrundlagen und sorgte für mehrere Dienstrechts- und Besoldungsreformen inklusive der gestern Donnerstag, beschlossenen Gehalts- und Pensionsreform." Maderthaner wünschte sich zum Abschied: "Ich hoffe, liebe Helga, daß dieses Haus in Deinem Herzen weiterlebt."

Generalsekretär-Stellvertreterin Helga Koch bedankte sich in einer kurzen Abschiedsrede für die ihr eingeräumte Mitgestaltungsmöglichkeit und die konstruktive Zusammenarbeit. Sie freue sich, sagte Koch, daß sie "an einem Reformprozeß teilnehmen durfte, der 1990 in dieser Organisation begonnen wurde".

Unmittelbar danach stellte Maderthaner den Nachfolger Dr. Manfred Gründler dem Kammertag als "Signal für die Fortsetzung der Reformarbeit" vor. Gründler bezeichnete sich als "Mann des Service und des unmittelbaren Kontaktes zu unseren Mitgliedern".

Frau Dr. Koch wurde mit langanhaltendem Beifall des Kammertages verabschiedet.
(Schluß) HV

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