OeNB - Strukturelle Budgetdefizite in Österreich
Wien (OTS) - Die Debatte um das Defizitkriterium des Vertrags
von Maastricht und um den Pakt für Stabilität und Wachstum hat
das Interesse an einer differenzierteren Betrachtung des öffentlichen Defizits verstärkt. In der wirtschafts-wissenschaftlichen Debatte herrscht weitgehend Einigkeit
darüber, daß die Entwicklung der strukturellen Defizitquote
- das heißt des um konjunkturelle Einflüsse bereinigten Budgetsaldos - der relevantere Referenzwert für die Beurteilung
der Konsolidierungs-bemühungen eines Staates ist. Während OECD oder Europäische Kommission zuerst konjunkturelle Budgetdefizite ermitteln und das strukturelle Defizit indirekt als Restgröße
vom Gesamtdefizit ableiten, wurden in dieser Studie die strukturellen Salden direkt berechnet.
Dabei lassen sich vier Perioden definieren: Die Periode 1964 bis 1973 war durch einen positiven strukturellen Saldo von rund 1 %
des BIP gekennzeichnet. Anschließend betrug das strukturelle Defizit bis zum Beginn der neunziger Jahre rund 3%. Die massive Ausweitung der Defizite 1993 bis 1995 spiegelte sich auch in der strukturellen Komponente (rund 5%) wider. Schließlich zeigen
sich die Auswirkungen der Konsolidierungsmaßnahmen der Bundesregierung in einer Trend-umkehr 1996/97. Es dürften noch weitere Anstrengungen notwendig sein, um das strukturelle
Defizit langfristig soweit abzusenken, daß auch bei Konjunkturrückschlägen die 3-Prozent-Defizitgrenze des Stabiltätspakts nicht überschritten wird.
Die Konsolidierungsmaßnahmen der österreichischen
Fiskalpolitik können jedoch nicht allein daran gemessen werden,
ob der Referenzwert von 3 % überschritten wird oder nicht. Ein ökonomisch sinnvolles Kriterium für die Frage, wieviel an öffentlicher Verschuldung auf Dauer tragbar ist, ergibt sich aus der Gegenüberstellung des tatsächlichen strukturellen Primärsaldos (strukturelles Defizit minus Zinszahlungen) mit dem für die Stabilisierung der Schuldenquote erforderlichen Primärsaldo. Bei einem Schuldenstand von über 60 % des BIP wird damit aber erst die Untergrenze des Konsolidierungs-
erfordernisses laut Maastricht-Vertrag angegeben.
Die Berechnung eines strukturellen Primärsaldos zeigt, daß seit Mitte der siebziger Jahre - mit Ausnahme einiger weniger Jahre
in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre - die erzielten Primärüberschüsse nicht ausreichend waren, um die Schuldenquote zu stabilisieren. Trotz der Konsolidierungsbemühungen in den
Jahren 1996/97 müßte der strukturelle Primärüberschuß um
rund 1/2 Prozentpunkt erhöht werden, um eine nachhaltige Stabilisierung der Schuldenquote zu erreichen.
Sowohl die Analyse der Entwicklung der strukturellen
Defizitquote in Hinblick auf den Stabilitätspakt als auch die Analyse der strukturellen Primärsalden in Hinblick auf die Stabilisierung bzw. Senkung der Schuldenquote weisen daher auf
die anhaltende Notwendigkeit von Konsolidierungsmaßnahmen im österreichischen Budget hin.
Nähere Details können der gleichnamigen Studie, ver-öffentlicht in äBerichte und Studien", Heft 3/1997, entnommen werden.
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