• 29.04.1997, 10:47:28
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  • OTS0090

Warum wir Unternehmer den Euro wollen

Auch Arbeitnehmer profitieren/Zuversicht, daß ÖGB und AK bald wieder "mit an Bord" sind/Kein "Maulkorb" für WKÖ-Experten

-ZU OTS 090 - Leopold Maderthaner (li) und Rene Alfons Haiden (re)
während ihrer gestrigen -28.04.1997- Pressekonferenz im Palais
Schwarzenberg zum Thema:"Warum die Unternehmer den Euro wollen".     
 OTS-PHOTO:Renate Apostel

Wien (PWK) - "Weil wir auch weiterhin eine stabile Wirtschaft und
sichere Arbeitsplätze erhalten wollen, nehmen wir die Herausforderung
an: Österreichs Unternehmer wollen den Euro, weil sie wissen, daß er
dem Land nützt. Auch Österreichs Arbeitnehmer werden direkt davon
profitieren, daß sie bald im größten Währungsraum der Welt leben",
erklärte WKÖ-Präsident Leo Maderthaner Montagabend vor Journalisten.
****

Immerhin werde der Euro neben dem Dollar die wichtigste
Leitwährung der Welt. Er bringe mittelfristig ein niedrigeres
Zinsniveau, das wiederum zu mehr Investitionen und längerfristig
sicher auch zu beachtlichen Beschäftigungs- und
Forschungsförderungseffekten in Europa führen wird. Mit dem Euro
würden auch unsere offensiven Exportanstrengungen massiv unterstützt,
weil unsere Unternehmungen dann weitgehend in Euro fakturieren
können. Damit entfalle sowohl das Wechselkursrisiko als auch die
damit verbundenen Kurssicherungskosten. Ein einheitlicher und
liquider europäischer Finanzmarkt wird Österreichs Unternehmen auch
einen weit besseren Zugang zum Kapital ermöglichen.

Gerade kleine und mittlere Unternehmen leiden auch heute noch
unter den starken Wechselkursschwankungen. So seien durch die
Abwertung des Dollar zwei Millionen Arbeitsplätze in Europa, davon
rund 40.000 in Österreich verloren gegangen, errechneten
Wirtschaftsexperten. Zwischen 1990 und 1994 hat sich die
österreichische Handelsbilanz auch im Verhältnis zu den EU-
Weichwährungsländern vor allem wegen dieser Wechselkursturbulenzen um
12 Milliarden Schilling verschlechtert, erinnerte Maderthaner. Nach
Schätzungen der Europäischen Kommission kosteten die
Wechselkursschwankungen 1995 und 1996 der EU insgesamt 0,6 Prozent an
realem Wirtschaftswachstum, umgerechnet also rund 480 Milliarden
Schilling. Besonders betroffen gewesen sei davon das Hartwährungsland
Österreich. Wir hatten 95/96 dadurch Wirtschaftswachstumseinbußen von
1,5 Prozent, umgerechnet also 36 Milliarden Schilling. Die Kosten
europäischer Unternehmen für den Devisenaustausch werden jährlich auf
viele hunderte Milliarden Schilling geschätzt. "Mit dem Euro werden
diese Wechselkursrisiken und Wertverluste weitestgehend der
Vergangenheit angehören", betonte Maderthaner. "Es wird uns allen
nützen, insbesondere auch den Arbeitnehmern, wenn wir dieses Geld in
sichere Arbeitsplätze investieren können."

Ihm sei nicht bange bei der Frage, ob man mindestens jene zwei
Drittel der Österreicher die dem EU-Beitritt zugestimmt haben auch
mit rationalen Argumenten für eine innere emotionale Zustimmung zum
Euro gewinnen könne. "Sobald wir über harte Daten und Fakten und
nicht über sonderbare Vertragsklauseln kleinlicher EU-Bürokraten
reden, wird sich das Meinungsbild rasch ändern."

Jedem Österreicher, ob Arbeitnehmer oder Unternehmer, müsse doch
klar sein, was passiert, wenn wir diese einmalige historische Chance
nicht offensiv annehmen. Bliebe Österreich der Währungsunion fern,
würde das eine Spekulationswelle gegen den Schilling auslösen, und
unter Umständen zu einer Abwertung mit massiven Zins- und
Preissteigerungen führen. Konsequenz wäre eine generelle
Verschlechterung unserer Wirtschaftsdaten und immense Folgekosten.
Für die Unternehmen würden sich Investitionen weiter verteuern, die
Inflation würde steigen, die Spareinlagen relativ weniger wert. Und
der gravierendste Nachteil einer solchen Entwicklung wäre eine bei
weitem stärkere Zinsbelastung für Österreichs wachsende
Staatsschulden.

"Wer dies nicht sieht, der argumentiert jenseits jedweder
intellektueller Redlichkeit, genauso wie jene, die behaupten,
Österreichs Sparpakete seien uns aus Brüssel zugeschickt worden. Wahr
ist vielmehr, daß wir unseren Staatshaushalt jedenfalls konsolidieren
müssen. Gelingt uns dies zeitgerecht und gemäß den europäischen
Kriterien, dann erreichen wir damit gleichzeitig die Mitgliedschaft
im größten Währungsraum der Welt. Versagen wir bei dieser
historischen Aufgabe, dann ist Österreich von diesem Club
ausgeschlossen, ohne daß uns deshalb die Budgetsanierung erspart
bliebe. Wenn wir den Euro nicht schaffen, dann droht uns zwingend ein
drittes Sparpaket. Würden wir auch dieses verweigern, hieße es zu
Recht: Wir verkonsumieren verantwortungslos die Zukunft unserer
Jugend", betonte Maderthaner.

"Ich begrüße deshalb die eindeutige Selbstverpflichtung aller EU-
Mitgliedsstaaten zu dauerhafter finanzpolitischer Stabilität. Dies
wird untermauert von einem klaren und von jedem überprüfbaren
Regelwerk. Es zwingt auch Österreich zu einem Stabilitätspakt, damit
die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand insgesamt in den notwendigen
Grenzen gehalten werden kann. Zu einer nachhaltigen Konsolidierung
der öffentlichen Haushalte durch Einsparungen und Umschichtungen gibt
es keine Alternative", erklärte Maderthaner.

Dieser Argumentation werde sich auch die Arbeitnehmervertretung
auf Dauer nicht verschließen können. Dies umso mehr als der
Frankfurter Sozialwissenschafter Otto Jacobi,
Gewerkschaftsbundpräsident Verzetnitsch gegenüber unlängst erklärte,
daß "die soziale Komponente der EU bereits weit fortschrittlicher als
in allen anderen supranationalen Gemeinschaften" entwickelt sei. "Dem
füge ich ergänzend hinzu: Und die soziale Komponente in Österreich
ist weit fortschrittlicher als in allen anderen EU-Staaten," sagte
Maderthaner. "Wir müssen den österreichischen Sozialstaat nicht wegen
des Euro reformieren, sondern wir müssen unseren Sozialstaat
sanieren, damit Österreich unter dem Vorzeichen der Globalisierung
auch in Zukunft sowohl wirtschaftlich als auch sozialpolitisch
leistungsfähig bleibt." Er teile die Meinung von Kanzler Viktor
Klima, der beim letzten SPÖ-Parteitag erklärt hat: "Nur Scharlatane
versprechen derzeit Ausweitungen im Sozialbereich." Deshalb fehle ihm
das Verständnis für Forderungen nach einer "Sozialunion": " Eine
Aufnahme sozialer Grundrechte in den EU-Vertrag weist in die falsche
Richtung. Ein vermeintliches Recht auf Arbeit ist unerfüllbar. Damit
waren schon die Verfassungen der seinerzeit kommunistischen Staaten
Osteuropas klar überfordert. Wer derlei verspricht, der programmiert
Enttäuschungen, die sich dann gegen den weiteren Fortgang der
europäischen Integration insgesamt richten würden. Auch ÖGB und
Arbeiterkammer befürworten die Einführung des Euro. Unsere
Meinungsverschiedenheiten sind nicht so grundlegend. Deshalb bin ich
zuversichtlich, daß ÖGB und Arbeiterkammer bald wieder mit an Bord
sind."

In Anwesenheit von WKÖ-Vizepräsident Rene Alfons Haiden stellte
Maderthaner dann den neuernannten EU-Beauftragten der
Wirtschaftskammer Österreich, den 31jährigen Mag. Matthias Koch vor.
Koch, geboren in Brüssel, hat nach Bankpraktiken in Paris und London
und nach der Mitarbeit bei der Konferenz für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (KSZE) und nach Abschluß eines Jus-Studiums
in Salzburg und Wien am 1. Februar 1996 als Referent für EU-
Angelegenheiten seinen Dienst in der Finanzpolitischen Abteilung der
Wirtschaftskammer Österreich angetreten. Er ist seit Mitte April
Eurobeauftrager der Wirtschaftskammer Österreich und folgt damit DDr.
Roland Mittendorfer der seit 15. April ins Kabinett des
Wirtschaftsministers gewechselt ist. Neben Mag. Koch stehen der
Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung, Prof. Dr. Werner
Teufelsbauer und der Leiter der Finanzpolitischen Abteilung Dr.
Fidelis Bauer für aktuelle Anfragen (auch der Journalisten) zur
Verfügung. "Für diese drei Experten wie auch für alle anderen
Mitarbeiter der WKÖ gilt: Keinerlei Zensur, kein Maulkorb. Jeder soll
sich um eine fundierte, sachliche Diskussion bemühen, wie das auch
Mittendorfer in seinem Buch bereits getan hat. Wir sind unserer Sache
sicher."
(Schluß) hv

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