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Fischler: Offener Brief zu Römische-Verträge-Jubiläum Vom Gestaltenwollen, -sollen und -können

Brüssel (OTS) - "Die Unterzeichnung der Römischen Verträge vor 40 Jahren ist - im positiven Sinn - Geschichte und als auch solche zu behandeln.Man blickt zurück, auf Schumann, Monnet, De Gaspari, Adenauer und die Gründung der EWG: Doch was letztendlich zählt, ist die Zukunft. Und wohin man auch schaut, die Herausforderungen, die nur auf europäischer Ebene zu lösen sind, werden nicht weniger. Ganz im Gegenteil. War die EWG ursprünglich noch angetreten, das Motto "nie wieder Krieg in Europa" in die Tat umzusetzen, stand in den letzten Jahrzehnten die Wohlstandsvermehrung im Vordergrund. Heute sieht sich die EU als politische Union mit dem Anspruch konfrontiert, Problemlöser in allen Lebensbereichen zu sein, und ich sage nicht, daß das nicht auch so gewollt war. Albanienkrise: Die EU muß handeln! Arbeitslosigkeit: Es muß etwas auf europäischer Ebene geschehen! Verbrauchergesundheit: Die EU muß sie garantieren! Das ist legitim, solange die Union nicht auch für die Wetterlage über den Azoren verantwortlich gemacht wird. Es ist aber auch die Forderung legitim, daß dieses Gestaltenwollen auch mit einem Gestaltenkönnen einhergehen muß, will man nicht Gefahr laufen, wie der allzu geschäftstüchtige Bauchladen-Mann eines Tages unter der Last des übergroßen Sortiments zusammenzubrechen. Denn die Kompetenzen und Ressourcen haben mit der steigenden Erwartungshaltung der Bürger nicht Schritt gehalten.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten, dieses Problem zu beseitigen. Entweder man enttäuscht die Erwartungen und zieht sich zurück, oder man ändert die Strukturen: Ich tendiere zu Zweiterem, weil ich meine, daß europäische Lösungen in vielen Bereichen ohne Alternative sind. Die Regierungskonferenz beschäftigt sich gegenwärtig mit dieser Thematik, und ich erhoffe mir Lösungen: Die Handlungsfähigkeit der EU zu bewahren, heißt Strukturen ändern. Die Position der Kommission liegt auf dem Tisch: Man wird sich sich entscheiden müssen: Will die EU eine Gemeinsame Außenpolitik machen, die auch diesen Namen verdient, dann müssen wir mit einer Stimme sprechen. Will die EU aber eine Politik "der 15 Gartenzwerge" im großen außenpolitischen Märchenwald, dann erübrigen sich alle Diskussionen über Troika und Mister GASP.

Institutionell wird sich etwas ändern müssen, nicht nur im Hinblick auf die bevorstehende Osterweiterung. Die Verringerung der Anzahl der Kommissare auf einen pro Mitgliedstaat erscheint mir dringlich, genauso wie ein starker Kommissionspräsident mit Vizepräsidenten, die dann auch eine konkrete Aufgabe übernehmen. Das Prinzip "ein Land - ein Kommissar" ist deswegen richtig, weil es auch psychologisch wichtig ist, daß jeder Mitgliedstaat einen Landsmann mit Sitz und Stimme in der Kommission hat. Genauso bin ich auch dafür, daß für die Kommission weiter das Kollegialprinzip gilt, und diese Institution damit weiter der Motor der Integration bleibt.

Auch eine Abklärung des viel zitierten und wenig verstandenen Prinzips der Subsidiarität ist nötig, gerade im Hinblick auf die Regierungskonferenz. Subsidiarität kann nicht immer dort aufhören, wo es beginnt, unangenehm zu werden. Da die organisierte Kriminalität nicht an den Staatsgrenzen haltmacht, brauchen wir die dritte Säule, und das bedeutet mehr Integration, und nicht weniger.

Wir leben in bewegten Zeiten, und die sind bekanntlich nicht immer die beschaulichsten. Euro, Osterweiterung oder Maastricht II werden dazu beitragen, daß das auch in Zukunft so bleibt. Und das ist auch gut so, denn vielleicht ist die Veränderung die einzige wirkliche Konstante, die das Projekt Europa braucht."

Franz Fischler

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