- 13.09.2006, 11:38:54
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Mobilfunkstrahlung: "Kinder nicht als Versuchskaninchen missbrauchen"
Ärztekammer fordert Kennzeichnung von Handys mit SAR-Werten - Eindringlicher Appell an Politik und Industrie
Wien (OTS) - "Wenn wir Medikamente auf den Markt bringen,
untersuchen wir auch vorher ihre Evidenz. Mit dem Mobilfunk hingegen
verbreiten wir eine Technologie, deren Auswirkungen wir noch nicht
wirklich kennen und die wir erst genauer untersuchen müssen", warnte
gestern, Dienstag, Abend der Referent für Umweltmedizin der
Ärztekammer für Wien, Erik Huber, vor noch unbekannten möglichen
Auswirkungen von Handystrahlung auf den Menschen. Anlass war eine
Podiumsdiskussion im RadioKulturhaus, zu der die Wiener Ärztekammer
geladen hatte. Thema: "Telefonieren mit dem Handy: Wie gefährlich
sind Mobilfunkstrahlen?" Hubers Appell an die Verantwortlichen in
Politik und Industrie: "Unsere Kinder dürfen keine Versuchskaninchen
sein!"
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen müsse absolute Priorität
haben, "denn Mobiltelefone sind in etwa so gefährlich wie ein
Sonnenbad". Kein Mensch würde heutzutage Kinder in die pralle Sonne
ohne Schutzmaßnahmen lassen. Dabei räumt Huber ein, dass
Mobiltelefone durchaus Sinn machten, sofern sie richtig eingesetzt
würden. "Ich will kein Handyverbot für Kinder", so Huber. Im Notfall
würden Mobiltelefone ihren Zweck erfüllen. Ihm gehe es vielmehr
darum, Bewusstsein hinsichtlich des möglichen Risikos zu schaffen:
"Wenn Sie zur Zigarette greifen oder Alkohol trinken, dann gehen Sie
bewusst ein Risiko ein. Wenn Sie das bei Ihren Kindern zulassen,
verletzen Sie Ihre Vorsorgepflicht." Ähnlich verhalte es sich, wenn
man Kindern uneingeschränkten Zugang zur Mobiltelefonie einräume, so
Huber.
Der Umweltmediziner kritisierte, dass Kinder mittlerweile die
Hauptzielgruppe der Telekomindustrie seien. Laut Huber sollte die
Industrie jedoch ihr Geld lieber mit dem Festnetz verdienen, "denn
dort ist das Risiko einer Gesundheitsgefährdung praktisch null". In
diesem Sinne fordert Huber auch die Kennzeichnung von Handys mit
SAR-Werten sowie die Beilage der von der Ärztekammer herausgegebenen
Leitlinien ("10 medizinische Handyregeln") beim Verkauf eines Handys.
Außerdem sollte die Industrie vermehrt Forschungsmittel
bereitstellen, um die Auswirkungen von Handystrahlen auf den Menschen
zu erforschen. Damit die Unabhängigkeit der Forschung gewährleistet
bleibe, könnte man beispielsweise die Akademie der Wissenschaften
oder ähnliche Institute mit der Durchführung von Studien beauftragen,
so Huber.
Handys nicht als Spielzeug verwenden
"Das Gesundheitsministerium hat im Dezember vorigen Jahres klare
Empfehlungen zum vernünftigen Umgang mit Mobiltelefonen
ausgesprochen. Weiters liegen Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates
vor, die eine Minimierung der Exposition bei der Standortwahl von
Mobilfunksendeanlagen vorsehen", bestätigt auch Wolfgang Ecker vom
Gesundheitsministerium. Sein Ratschlag lautet daher: "Handys sollten
speziell von Kindern nicht als Spielzeug, sondern als modernes
Kommunikationsmittel gesehen werden, das vernünftig und unter
Vermeidung unnötiger Exposition verwendet werden sollte."
Auch Gerd Oberfeld, Umweltmedizin-Referent der Österreichischen
Ärztekammer, gibt zu bedenken: "Die Schädigung der DNA (Erbsubstanz,
Anm.) mit der Folge eines erhöhtes Tumorrisikos durch Mobiltelefone
ist auf allen wissenschaftlichen Nachweisebenen, von der Zelle über
den Tierversuch und nun auch durch Beobachtungsstudien am Menschen,
gegeben." "Aktuelle Daten aus Schweden zeigten ein dreifach erhöhtes
Hirntumorrisiko nach einer Handynutzungszeit von zehn Jahren".
Oberfeld: "Wir benötigen dringend eine entsprechende Aufklärung
der Bevölkerung, Mobiltelefone nur für wichtige und dringende
Gespräche zu verwenden." Zur Frage der gesundheitlichen Auswirkungen
von Mobilfunksendeanlagen (Handymasten) würden nunmehr
umweltepidemiologische Daten vorliegen, die einen klaren Zusammenhang
zwischen der hochfrequenten Strahlung und verschiedenen Symptomen,
wie etwa Kopfschmerzen oder Konzentrationsprobleme, unabhängig von
möglichen Befürchtungen zeigen, so Oberfeld. Der Umweltmediziner:
"Ich empfehle den Umbau der Mobilfunknetze auf technisch geringst
mögliche Belastungen sowie die Durchführung epidemiologischer
Untersuchungen für Symptome, Krebs und andere Erkrankungen."
Auf die Betroffenheit in der Bevölkerung und den Aufklärungsbedarf
vonseiten der Politik wies auch die Grüne Abgeordnete Gabriela Moser
hin: "Die Menschen haben ein Recht darauf, darüber aufgeklärt zu
werden, wenn beispielsweise ein Sendemast in ihrer Wohnumgebung
errichtet wird." Moser mangelt es hier "am entsprechenden Willen
einer politischen Mehrheit".
Voreilige Warnungen seitens der Ärztekammer?
Aber auch kritische Stimmen gegenüber der von der Wiener
Ärztekammer ausgesprochenen Warnung vor einem unkontrollierten und
übermäßigem Gebrauch von Mobiltelefonen gab es an diesem Abend. So
zitierte etwa Uwe Möbius, Vertreter der deutschen
Forschungsgemeinschaft Funk, Studien wie beispielsweise jene von der
WHO, wonach bislang keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit
nachgewiesen werden konnten. Möbius warnte zudem davor,
Tierexperimente gedankenlos auf den Menschen zu übertragen. Erst wenn
ein Versuch mehrfach wiederholt werde, könne tatsächlich ein
wissenschaftlicher Beweis angenommen werden. "Sollte es hier wirklich
Effekte geben, dann müssen sie sehr gering sein", so Möbius.
Andernfalls hätte man sie "aufgrund des bisherigen Forschungsaufwands
bereits längst finden müssen".
Noch schärfere Kritik an die Ärztekammer richtete Ernst Bonek von
der TU Wien: "Das Plakat ("10 medizinische Handy-Regeln", Anm.)
strotzt nur so vor technischem Unsinn." Hier habe die
Qualitätssicherung der ärztlichen Standesvertretung vollkommen
versagt. Es würden Dinge in die Welt gesetzt, die so einfach nicht
stimmten.
Hubers Replik auf Bonek: "Auch der Oberste Sanitätsrat hat sich
bereits in vielen Punkten den Warnungen der Ärztekammer
angeschlossen." So schlecht könne also die Linie der Ärztekammer
nicht sein. (kp)
Rückfragehinweis:
Ärztekammer für Wien - Pressestelle Mag. Kristin Posch Tel.: (++43-1) 51501/1223 Fax: (++43-1) 51501/1289 mailto:posch@aekwien.at http://www.aekwien.at
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